Gesammelte Werke
Idee im Untergang des Helden zweifelte diese Dramatik so wenig wie an der Symbolkraft der großen historischen Stoffe. Das verlieh seinem œuvre etwas Affirmatives, den Weltlauf krampfhaft Bestätigendes. Positivität wurde sein Verhängnis. Dadurch, daß die Idee autoritär jeden Zweifel niederschlägt und als ein Fixiertes jenseits von Skepsis und Relativität geborgen sich dünkt, wird sie zur Ideologie, zur selbstgerechten Weltanschauung: ästhetisch ein Negatives. Das Kunstwerk, das auf das nicht mehr Substantielle sich stützt, als wäre es verbindlich, büßt die eigene Kraft ein. Es muß durch verkündende Beteuerung ersetzen, was in ihm nicht gegenwärtig ist; je mehr es seine Botschaft unterstreicht, desto mehr arbeitet es wider seine Gestalt. Der ungebrochen reine Wille, wie ihn der Untertitel von Cohens Ethik proklamiert, genügt nicht, auch nicht für die Kunst. Wie alles Menschenwürdige heute, bedarf sie eines Ferments von bösem Willen, ihre Humanität einer Spur des Inhumanen, die nicht schon bereits selber wieder als human sich weiß; ohne Lust am Zerstören ist keine Wahrheit heute, gewiß keine Produktion des Ranges, den Zickel ambitionierte. Dies Moment hat er verdrängt, und dadurch ist in seine Affirmation etwas hineingeraten, was sich selbst nicht gut ist. Es verurteilt sie zum Unwahren, anstatt daß das Werk die Unwahrheit der Affirmation so vollzöge wie noch Ibsen, der die Lebenslüge demaskierte und zugleich verteidigte gegen die sittliche Forderung. Zickel, der sich permanent Gewalt antat, war bereit zum schrillen Lachen, weil die Positivität, die er trotzig mit dem Namen Gottes bedachte, doch unvereinbar war mit seinem Subjektivismus. Seine Art, sich in dem von Philosophie kritisierten Glauben ästhetisch festzumachen, tendierte zum Galgenhumor. Dichter noch als an die Sphäre des Schauspielers grenzte die seine an die des Zirkus. Viel zog ihn zu Wedekind, den er dann doch wieder idealistisch mißbilligte. Diejenigen seiner Arbeiten wohl sind die besten, in denen Ambivalenz, anstatt über seinen Kopf hinweg sich durchzusetzen, selber ins Wort fand.
Vieles davon war ihm bewußt. Gegen den Protestantismus begehrte er auf wie ein Theolog, der aus Gewissensnot sein Amt hinwirft. Im Konflikt mit der Elternwelt, aber auch im asketisch-idealischen Hang gab es ein Gemeinsames zwischen ihm und der Jugendbewegung, das in seinem Verhältnis zum Neuwerk-Verlag sich bekundete. Aber auch zur Jugendbewegung: ihrem Kollektivismus hielt er Distanz. Schließlich wurde er noch der Schwäche des Neukantianismus inne, der Neutralisierung der großen Philosophie zu ohnmächtigem Bildungsgut. Sein Gewaltsames kam aus dem Willen, entsunkene Worte möchten gelten, um dem Einhalt zu tun, was er gleich vielen Deutschen der Periode Zersetzung nannte und Materialismus. Dieser war einem Denken, das vor Begriffen wie Idee und Geist innehielt, vorweg verurteilt; den Gedanken des Materialismus an die eigene Aufhebung: die Befreiung der Menschen vom blinden Zwang materieller Bedingungen hat er nicht gefaßt. Dichterisch dünkte Zickel das Gleichnis, zu dem schaltende Phantasie die Erfahrung zubereitet, als wäre das Schöpfung. Die Metapher behauptet jenen ungebrochenen Primat, von dem Benn die Moderne abhob. Das Als ob arrangierter Verschlüsselung entging ihm; ein Rest von konventionellem, vorkünstlerischem Realismus darin. Unbehelligt bleibt unter den Metaphern die Dingwelt, anstatt daß die Dichtung deren empirische Gestalt zerschlüge, indem sie die nackte Sache nennt. Die neuromantischen Bilder, in denen Zickels Expressionismus auf halbem Weg sich widerruft, erschweren vorweg wohl seine Rezeption heute. Die bunten Sprachkulissen werden aufgerichtet aus Allergie gegen das eingreifende Bewußtsein dessen, wovor sie sich schieben. Der Geistgläubige schalt den Geist sophistisch, wo das Bestehende nicht in der Idee, sondern politisch denunziert ward. Seine Konzeption vom Ethos half ihm, nicht zuletzt, dazu, im Namen von Tat und Willen die bedrohliche Reflexion abzuwehren: sein affirmativer Zug war defensiv zugleich. Einmal sagte er, unbestechlich gegen die eigene Grenze, ein jeder Mensch habe das Recht auf Borniertheit; er könne sentimental werden, wenn er auf einer Rheinfahrt die Loreley höre. So empfand er wohl das Deutsche bei sich selber: als jenes Aussetzen der Reflexion, ein Verstocktes. Selbstbesinnung durch Ironie mochte er nicht. Umgekehrt jedoch hat er irrationalistischen Strömungen wie Wagner,
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