Gesammelte Werke
veröffentlicht, es sei denn, der Autor selber hätte eine deutsche Übersetzung angefertigt.
Unbedingt wollte Adorno die jeweils letzte Form, die er einem Text gegeben hatte, respektiert wissen; er wünschte keine Edition, welche überholte Versionen von Arbeiten zu rekonstruieren erlauben würde. An diese Weisung fühlte der Herausgeber sich gebunden, auch wenn er dadurch mit den Bedürfnissen philologischer Forschung in einen gewissen Konflikt geriet. Wissenschaftler, die den oft eingreifenden und manchmal mehrmaligen Umarbeitungen nachzugehen wünschen, die zu Adornos Lebzeiten wiederholt publizierte Texte durchgemacht haben, hätten vorerst auf die Originaldrucke zu rekurrieren, die in editorischen Nachbemerkungen detailliert nachgewiesen sind. Diese editorischen Nachbemerkungen enthalten die bis heute vollständigste Bibliographie der zu Adornos Lebzeiten veröffentlichten Texte. Gegen die Regel, ›überholte‹ Fassungen unberücksichtigt zu lassen, ist dann verstoßen worden, wenn inhaltliche Gründe dies geboten erscheinen ließen. So etwa in Band 20 gleich mit den beiden ersten Arbeiten: »Neue wertfreie Soziologie« bildet eine frühe Version des Mannheim-Aufsatzes aus den »Prismen« (vgl. GS 10.1, s. S. 31ff.); »Zur Philosophie Husserls« wurde später zu dem letzten, »Das Wesen und das reine Ich« überschriebenen Kapitel der »Metakritik der Erkenntnistheorie« umgearbeitet (vgl. GS 5, s. S. 190ff.). Für die Aufnahme der frühen Fassungen in die Ausgabe sprach nicht nur, daß es in beiden Fällen eher um zwei verschiedene Arbeiten als um zwei Versionen einer Arbeit sich handelt; die Fassungen von 1937 und 1938, die eine erhebliche Rolle in der internen Diskussion des Instituts für Sozialforschung gespielt haben, sind aus längst obsolet gewordenen Gründen damals unveröffentlicht geblieben. Zudem sind diese zwei Arbeiten das fast einzige direkte Zeugnis für Adornos Befassung mit Philosophie im engeren Sinn während des Zeitraums, der das Erscheinen der »Dialektik der Aufklärung« von dem des Kierkegaardbuches trennt. Schließlich: über eine noch ältere, anscheinend verschollene Fassung des Mannheim-Aufsatzes schrieb Adorno an Walter Benjamin, sie stelle »die schärfste marxistische Arbeit« dar, »die ich bisher unternahm«; doch wohl auch ein gewichtiger Grund, wenigstens die früheste erhaltene Fassung zu publizieren.
Die Texte werden jeweils in der letzten, zu Adornos Lebzeiten veröffentlichten Form abgedruckt. Wo immer sie von dieser Form abweichen – was nicht selten der Fall ist –, sind Änderungen und Korrekturen berücksichtigt worden, die Adorno in seinen Handexemplaren vorgenommen und von denen er oft ausdrücklich angeordnet hat, sie »wären bei einer Neuauflage zu berücksichtigen« – so etwa eine Eintragung auf dem Vorsatzblatt des Handexemplars der Berg-Monographie. Weiter sind selbstverständlich Druckfehler – bei den in der Ausgabe zum erstenmal publizierten Arbeiten: Schreibfehler – und seltene offenkundige Irrtümer stillschweigend berichtigt sowie nach Möglichkeit die Zitate und Verweise kontrolliert worden. Zu einer Vereinheitlichung der Adornoschen Zitation, gar zu einer Umstellung der Zitation auf neuere Ausgaben, wie sie gelegentlich von der Kritik gefordert wird, glaubte der Herausgeber sich nicht berechtigt. So zweifellos derartige Editionshilfen manchem Benutzer der Ausgabe Arbeit abnehmen würden, so unzweifelhaft gehört es zu den Impulsen des Adornoschen Denkens, seine Arbeiten positivistischer ›Benutzbarkeit‹, ihrer Integration in den verabscheuten akademischen Betrieb zu entziehen. Hinzu kommt, daß Adorno idiosynkratisch darauf beharrte, etwa Kant und Hegel meist nach philologisch längst überholten Ausgaben zu zitieren, mit denen er selber seit seiner Jugend gearbeitet hatte. Auch weigerte er sich, Anmerkungen einheitlich entweder als Fußnoten zu bringen oder sie am Schluß einer Arbeit zusammenzufassen; noch darin drückt ein dem Adornoschen Denken Wesentliches sich aus: seine Kritik am Zwangscharakter von Einheit und System. So mag manche Arbeiten Adornos eine leise antiquarische Aura umgeben, die auf den ersten Blick dem Penchant Benjamins fürs Antiquarische recht verwandt erscheint. In der Tat jedoch besitzt dies Antiquarische in Adornos Schriften einen völlig anderen Stellenwert als bei Benjamin: kontrapunktiert es doch der Radikalität des Adornoschen Denkens, um dieser nur desto stärker zum Ausdruck zu verhelfen. An Adornos
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