Gesammelte Werke
Bewußtseinseinheit aus zu den einzelnen Kategorien gelangenden Verfahrens mißverstand, während bei Kant in Wahrheit die Bewußtseinseinheit nichts anderes ist als eben der Zusammenhang unserer gesamten Erfahrung, den wir zwar voraussetzen müssen, um zu der Erkenntnis der einzelnen Formen jenes Zusammenhanges zu gelangen, der aber nicht etwa eine kausale oder gar metaphysische Erklärung jener Zusammenhangsformen ist, sondern allein die Totalität des Zusammenhangs, aus der wir die einzelnen Formen ausabstrahieren, – indem man also den Grundgedanken der Deduktion radikal und naturalistisch mißverstand, glaubte man sich im Besitz eines positiv zu handhabenden Absoluten, auf das sich die Kategorien zurückführen lassen und das ihrer Gültigkeit nicht unterliegt. Der Anspruch dieser Unabhängigkeit ihrer Aussagen von Transzendentalbedingungen, den die Philosophien des Unbewußten erheben, wird uns als Zentrum unserer kritischen Auseinandersetzung mit jenen Theorien zu beschäftigen haben; der Rechtsanspruch der Transzendentalphilosophie auf die Konstitution des Begriffs des Unbewußten hat sich hier zu erhärten.
Ein drittes Kantisches Problem, das für die Bildung der Philosophien des Unbewußten in Betracht kommt, ist das des Verhältnisses von
Ganzem
und
Teilen,
so wie es sich ausdrückt in dem Verhältnis der Kritik der ideologischen Urteilskraft zur Kritik der reinen Vernunft. In der Vernunftkritik heißt Erkenntnis eines Dinges nichts anderes als Erkenntnis seiner Merkmale in ihrer Gesetzmäßigkeit. Diese Erkenntnis scheint Kant nicht ausreichend gegenüber den
Organismen,
deren objektiv gültige Bestimmung zwar ebenfalls allein auf Grund der Merkmalerkenntnis möglich ist, und die in ihrem Aufbau wissenschaftlich zu verstehen keine andere Möglichkeit bleibt als die kausale Betrachtung; deren Teile in einer Weise zusammengehören, die die Annahme eines regulativen Prinzips möglich macht, das als ideologische Urteilskraft vom Besonderen, das uns gegeben ist, auf ein Ganzes reflektiert und dies Ganze in einer Endursache, einer causa finalis sieht, die zwar nicht als konstitutives Prinzip der Erkenntnis des Gegenstandes herangezogen werden kann, aber nach der Kantischen Lehre den Sprung zwischen theoretischer und praktischer Erkenntnis, zwischen dem Reich der Natur und dem der Freiheit, überbrücken helfen soll, indem die Möglichkeit dargetan wird, daß für einen als Grenzbegriff gefaßten »intuitiven Verstand« die Möglichkeit der Naturerklärung mit der durch Vernunftzwecke zusammentrifft. Dies Zusammentreffen ist im Bereich der ideologischen Urteilskraft durch die »Objekte«, nämlich durch die Organismen, und damit durch die Gegebenheiten selbst, ermöglicht und so im Gegensatz zum Begriff des Schönen als ein
ontologisches
Prinzip gefaßt, das zwar nicht zur positiven Welterklärung herangezogen werden darf, aber doch als Regulativ der Erkenntnis von Organismen den Weg vorzeichnet. Es bedarf auch hier wiederum – wie beim Begriff des intelligiblen Charakters und der subjektiven Spontaneität – allein der Überschreitung der von Kant wissenschaftlicher Erkenntnis gesetzten Grenze der Erfahrung, also eines »Ausschweifens in intelligible Welten«, um den Begriff des teleologischen Verhältnisses von den Teilen eines Organismus zu seinem Ganzen als positiven Begriff in die Philosophie einzuführen und diesen Begriff, der ja nach Kants Auffassung der diskursiven Erkenntnis prinzipiell unzugänglich ist, als unbewußten Seinsgrund der Organismen zu hypostasieren, wobei er sich leicht mit dem Begriff der Spontaneität begegnet, in der eben die Kraft vermutet wird, die die Beziehung der Teile des Organismus auf das Ganze je und je herstellt. Der moderne
Vitalismus
insbesondere vereint die Hypostasen der Spontaneität und der Teleologie, indem er die einzige Möglichkeit der Erklärung der Organismen in einer Teleologie erblickt, die sich als Lebensschwungkraft spontan durchsetzt. Die Nichtumkehrbarkeit des Verhältnisses von Ganzen und Teilen wird dabei zum Vehikel der Lehre von der Unbewußtheit als dem Grund jener Organismen: daß wir nämlich zwar aus der Kenntnis des Ganzen auf die einzelnen Teile, niemals aber von den einzelnen Teilen aufs Ganze schließen können. Da auch für die vitalistische Auffassung die Dinge nicht transzendent sind, sondern sich subjektiv konstituieren; zugleich jedoch das Prinzip der Bildung von Organismen nicht mit den Mitteln der Merkmalerkenntnis und damit der
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