Gesammelte Werke
unbewußten Tatbestände bei Kant insgesamt notwendig durch den transzendentalen Idealismus bedingt sind. Wenn sich uns ergibt, daß die Theorien des Unbewußten, soweit sie sich als Gegensätze der transzendentalen Methode geben, nicht in sich widerspruchslos und auch nicht unabhängig von den kardinalen Voraussetzungen der transzendentalen Methode sind, sondern jene Voraussetzungen in irgendeiner Weise selbst machen; wenn wir weiter zu der Einsicht gelangen, daß die angedeuteten »Brüche« der Lehre Kants nicht notwendig Brüche des Systems des transzendentalen Idealismus sind, sondern im Rahmen transzendentaler Systematik sich beheben lassen, so ist uns damit der
Rückverweis unseres Problems an die transzendentale Methode
gelungen. Gehen wir bei der Erzielung jenes Rückverweises aus von dem Widerstreit zwischen der Transzendentalphilosophie und den Philosophien des Unbewußten, so können wir unser Problem formulieren auch in der Weise, daß wir den auf Grund der vorliegenden Theorien des Unbewußten als notwendig angesetzten Widerspruch zwischen dem Begriff des transzendentalen Idealismus und dem Begriff des Unbewußten als Schein aufdecken und nicht allein die Vereinbarkeit beider Begriffe allgemein formulieren, sondern in konkreter erkenntnistheoretischer Analyse durchführen. Dazu bedarf es allerdings, außer jenes »Rückverweises«, noch der Einsicht in das Problem des Unbewußten als eines realen, nicht allein durch Streitigkeiten zwischen den Erkenntnistheorien, sondern durch die Tatsachen selbst, also durch die Ergebnisse der psychologischen Forschung bedingten Problems. Wir werden uns dieser Einsicht versichern. Ist uns der Rückverweis des Begriffs des Unbewußten an die transzendentale Methode gelungen, so ist unsere Aufgabe die Gewinnung einer transzendentalen Theorie des Unbewußten. Diese Theorie wird naturgemäß an Kant anzuknüpfen haben; freilich auch in kritischer Intention, da wir ja die Unabhängigkeit einer transzendentalen Lösung des Problems des Unbewußten von Kants Untersuchungen, in denen das Unbewußte überhaupt nicht vorkommt, dartun müssen. Unsere transzendentale Analyse werden wir in Übereinstimmung mit den Befunden und der Methode der »Transcendentalen Systematik« von Hans Cornelius führen und zunächst eine allgemeine transzendentale Erörterung jener Art psychologischer Begriffsbildungen, denen der Begriff des Unbewußten zugehört, vollziehen müssen, ehe wir zur exakten transzendentalen Bestimmung des Begriffs des Unbewußten fortschreiten. Endlich wird es unsere Aufgabe sein, den transzendental konstituierten Begriff des Unbewußten mit dem Begriff des Unbewußten, den die empirische Wissenschaft herausarbeitete, zu vergleichen, seine Verwendbarkeit zu prüfen und umgekehrt die erkenntnistheoretische Dignität der empirisch-psychologischen Begriffe des Unbewußten zu untersuchen, nachdem wir vorher bereits die landläufige Unterscheidung von transzendentaler und empirischer Psychologie einer Kritik unterzogen. Unsere Betrachtung der empirischen Wissenschaft vom Unbewußten wird da einsetzen, wo empirische Forschung sich zentral des Begriffs des Unbewußten bedient: bei der
Psychoanalyse.
Da wir zur Einsicht gelangen, daß Psychoanalyse es mit nichts anderem zu tun hat als mit der Erkenntnis der unbewußten Tatbestände, so dürfen wir das Endproblem, bei dem unsere Untersuchung anlangt, formulieren auch mit dem Satz: wie ist Psychoanalyse als Wissenschaft möglich?
Die
Gliederung
unserer Untersuchung ist mit den Umrissen der Methode natürlich gegeben. Die Arbeit zerfällt in drei Kapitel. Im
ersten
vollzieht sich die Auseinandersetzung zwischen Transzendentalphilosophie und Philosophien des Unbewußten; es hat den Charakter einer kritischen Vorbetrachtung und ermöglicht die positive Theorie des Unbewußten. In seinem ersten Teil werden die Theorien des Unbewußten, soweit sie sich als Gegensatz zur Transzendentalphilosophie geben – also so, wie sie hier aus den Kantischen Problemen abgeleitet wurden – einer immanenten Kritik unterworfen, die auf ihre Stimmigkeit und auf ihre Unabhängigkeit von den Aussagen der Transzendentalphilosophie zielt. Dabei werden eine Reihe von Widersprüchen aufgewiesen und antithetisch formuliert, die im Rahmen jener Theorien unauflöslich bleiben. Der zweite Teil des ersten Kapitels unternimmt die Auflösung jener Widersprüche und geht dabei in transzendente, von den Voraussetzungen jener Theorien unabhängige Kritik über; er
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