Gesammelte Werke
vollzieht den eigentlichen Rückverweis des Problems des Unbewußten an die Transzendentalphilosophie und zugleich den Nachweis der Gründe, warum Kant zu einer Theorie des Unbewußten prinzipiell nicht gelangen kann. – Das
zweite
Kapitel unternimmt die Konstitution einer transzendentalen Theorie des Unbewußten. Sein erster Teil führt die Auseinandersetzung mit Kant weiter, indem es jenen Teil der Kantischen Lehre eingehender Behandlung unterzieht, in dem eine Theorie des Unbewußten ihren Raum hätte: die Lehre von den psychologischen Paralogismen, Kants Kampf gegen die »rationale Seelenlehre«. Nachdem sich die Beschränkung jener Kantischen Kritik auf die ontologische Seelenlehre ergeben hat und die prinzipielle Möglichkeit rationaler Seelenlehre dargetan ist, werden im zweiten Teil des zweiten Kapitels Elemente einer transzendentalen Seelenlehre entwickelt, die den Begriff des Unbewußten transzendental konstituieren. Im dritten Teil wird diese transzendentale Konstitution des Begriffs des Unbewußten durchgeführt und die Definition und zureichende Differenzierung des Begriffs des Unbewußten versucht. – Das
dritte
Kapitel endlich gehört der Anwendung der transzendentalen Resultate auf die psychologische Forschung und der Begründung der empirischen Erkenntnis des Unbewußten. Es ist an der Psychoanalyse orientiert und unternimmt in seinem ersten Teil die Begründung der Auswahl gerade jener jungen Disziplin und die Begründung der Methode ihrer Interpretation. Im zweiten werden die wesentlichen Erkenntnisgehalte der Psychoanalyse dargestellt und in die Begriffe »übersetzt«, deren wir uns in unserer transzendentalen Theorie bedienten. Der dritte Teil dann interpretiert die Psychoanalyse, arbeitet die Übereinstimmung ihres methodischen Ganges mit den Lehren der Transzendentalphilosophie heraus; zeigt die Wiederkehr des transzendental bestimmten Begriffes des Unbewußten und seine Differenzierung in der Psychoanalyse und trachtet, zu einer allgemeinen und verbindlichen erkenntnistheoretischen Begründung der Psychoanalyse als Wissenschaft zu gelangen.
Erstes Kapitel
Kritische Vorerwägungen
1. Zur immanenten Problematik der Lehren vom Unbewußten
Die Aufgabe unserer kritischen Betrachtung des Begriffes des Unbewußten ist nicht sowohl, alle vorliegenden Theorien des Unbewußten oder selbst auch nur deren überwiegenden Teil auf ihre immanente Stimmigkeit hin zu prüfen, als vielmehr: die Entscheidung des Rechtsstreites zwischen Transzendentalphilosophie und Philosophie des Unbewußten um die Fassung des Begriffs des Unbewußten durch eine Diskussion eben jenes Begriffs herbeizuführen. Diese Entscheidung hat nicht zur Voraussetzung die Entfaltung des philosophischen Materials der bestehenden Unbewußtheits-Philosophien, auf die unsere sachlich gerichtete Arbeit verzichten muß. Der angestrebten Entscheidung dienen wir, indem wir an unsere Erörterung der Kantischen Probleme anknüpfen, in welchen wir die Ansatzpunkte des Widerstreites zwischen den Lehren des Unbewußten erkannt hatten. Wir meinen damit nicht etwa den historischen Ursprung der Lehren vom Unbewußten aufgedeckt zu haben und sind uns der Tatsache wohl bewußt, daß historisch für die Bildung jener Philosophien wesentlich andere Motive gelten als allein der Widerspruch gegen Kant oder gar das Bestreben, der Brüche des Kantischen Systems Herr zu werden. Aber da es sich für unsere Methode ja um die Herausarbeitung des Verhältnisses von Transzendentalphilosophie und Philosophie des Unbewußten handelt und unsere Absicht schließlich dahin zielt, die Möglichkeit einer transzendentalen Bestimmung des Begriffs des Unbewußten darzutun, so sind wir berechtigt, die Lehren vom Unbewußten in ihrem Widerspruch gegen Kant aufzusuchen und diesen Widerspruch weiter bis in seine sachlichen Bedingungen im Kantischen System selbst zu verfolgen. Wir spitzen damit unsere Erörterung auf das Entscheidende, nämlich die Stellung des Begriffs des Unbewußten zur Transzendentalphilosophie, zu. Wir sind dazu historisch um so eher legitimiert, als der Widerstreit gegen Kant allen Philosophien des Unbewußten, auch denen, die nicht eigentlich aus einer kritischen Auseinandersetzung mit dem Kantischen System hervorgegangen sind, gemeinsam eignet; sei es, daß er explizit formuliert, sei es, daß er lediglich mit den sachlichen Feststellungen oder Behauptungen jener Philosophien gesetzt ist, ohne eigens ausgesprochen zu sein. Wo ein Begriff des
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