Gesammelte Werke 5: Vier Romane in einem Band
Gegensätze, wir sind doch alle Marxisten (weniger, weil wir von der Richtigkeit des historischen Materialismus gar so fest überzeugt sind, sondern weil wir in der Regel gar nichts anderes kennen). In eurer kristallklar funkelnden Welt sind ja keine grundlegenden (»antagonistischen«) Widersprüche übrig geblieben. Wird sie sich da nicht in einen stagnierenden Sumpf verwandeln, in eine Sackgasse, ins Ende der Menschheitsgeschichte, zu so einer Art gesellschaftlicher Euthanasie?
Das war eine gewichtigere Frage. Es drängt sich die Antwort auf: Der unablässige Bedarf an Wissen, der unablässige und endlose Prozess der Erforschung des unendlichen Weltalls sind die Triebkräfte des Fortschritts in der Welt des »Mittags«. Aber das war bestenfalls die Antwort auf die Frage, was sie dort, in jener Welt alle tun werden. Die Veränderung und Vervollkommnung der sozialen Struktur der Welt jedoch folgten keineswegs aus dem Vorgang endlosen Erkenntnisgewinns.
Ich weiß noch, dass wir versuchten, die Theorie vom »Kampf des Guten mit dem Besseren« als einem Antrieb für den gesellschaftlichen Fortschritt ins Feld zu führen, damit aber einen Ausbruch von Gelächter und boshaften Bemerkungen ernteten – sogar die BBC war, durch die Störsender hindurch, über diese Theorie hergezogen, und vollauf zu Recht.
Eine Antwort auf diese Frage haben wir übrigens denn doch nie gefunden. Viel später führten wir den Begriff »Vertikaler Progress« ein. Aber erstens ist dieser Begriff an sich bei uns ziemlich unscharf geblieben, und zweitens geschah das zwanzig Jahre später. Damals aber hatten wir nichts, womit wir dieses klaffende ideologische Loch hätten flicken können, und das ärgerte uns, trieb uns aber gleichzeitig zur weiteren Suche und zu neuen Finessen in der Diskussion.
Schließlich gelangten wir zu dem Gedanken, dass wir keineswegs eine Welt entwarfen, wie sie sein soll , und schon gar nicht die Welt, wie sie irgendwann unbedingt sein wird , sondern eine Welt, in der wir gern leben und arbeiten würden – und weiter nichts. Wir entbanden uns völlig von der Pflicht, die Möglichkeit oder gar Unvermeidlichkeit solch einer Welt zu beweisen. Aber dabei blieb unsere wichtigste Aufgabe natürlich, diese Welt möglichst glaubwürdig zu machen, ohne zu dick aufzutragen, ohne logische Widersprüche, ohne Talmi-Begeisterung und soziales Schöntun.
Völlig klar wurden uns diese eigentlich recht einfachen Überlegungen übrigens erst wesentlich später, nach gut fünf Jahren, als wir an dem Text des Romans arbeiteten, der nun in der Werkausgabe steht. 26 Die ursprüngliche Fassung, erschienen 1962, trug noch alle Merkmale der ursprünglichen Konzeption: zu zeigen, wie ein Mensch von heute sich in der Welt der Lichten Zukunft einlebt. Später haben wir diese Absicht de facto aufgegeben, haben einfach ein Panorama der Welt gezeichnet, Landschaften dieser Welt, Bilder aus ihrem Leben und Porträts der Menschen, die sie bevölkern.
Doch schon damals, 1960, verzichteten wir zugunsten eines Mosaiks entschieden auf eine durchgehende Handlung, sodass der Roman in einzelne, alles in allem nicht miteinander verbundene Episoden unterteilt ist, von denen viele völlig eigenständige Erzählungen waren, die wir zu verschiedenen Zeiten und aus ganz verschiedenen Anlässen geschrieben hatten. Im Einzelnen sind das:
– »Die Niederlage«. Die Idee für die Erzählung stammt noch vom Juni 1959. (Arkadi: »Die wissenschaftliche Seite: ein Ei. Kein Hühnerei, deins auch nicht, sondern ein kybernetisches Ei, ein Samen. Stell dir eine Vorrichtung vor, der ein Programm und die Möglichkeit eingegeben ist, sich zu entwickeln. Sie ist erschaffen worden, um interplanetaren Reisenden angenehme Bedingungen zu bieten, wenn sie in einer fremden Welt eintreffen …«) Diese Erzählung ist vielfach umgearbeitet und gefeilt worden, sie wurde anfangs unter dem Titel »Der weiße Kegel des Alaid« veröffentlicht, dann im Band »Sechs Streichhölzer« unter dem Titel »Die Niederlage«, und ihren endgültigen Platz fand sie unter demselben Titel im Roman »Mittag, 22. Jahrhundert«.
– »Seltsame Leute« verkörpert die Idee der Landeflieger, von »Leuten, die auf Planeten landen, die man aus verschiedenen Gründen nicht mit Apparaten erforschen kann«. Die Idee entstand ebenfalls im Juni 1959. Später (im November 1959) schrieben wir eine Erzählung mit diesem Titel, die wir nirgends veröffentlichen konnten. Der Chefredakteur von Snanie – sila
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