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Gesammelte Werke 6

Gesammelte Werke 6

Titel: Gesammelte Werke 6 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arkady Strugatsky
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saß er nicht etwa plötzlich auf dem wackligen Besucherstuhl, stürzte dreist durch die Wand oder flog als Pflasterstein durch das geöffnete Kippfenster. So machten es nämlich die meisten meiner Freunde, die ständig irgendwohin hasteten, mit etwas im Verzug waren, zu spät kamen und daher einfach so auftauchten, unverblümt hereinplatzten und die üblichen Verkehrswege völlig außer Acht ließen. Edik war da anders: Bescheiden trat er durch die Tür ein, ja hatte sogar angeklopft, doch ich war zu beschäftigt gewesen, um zu antworten.
    Er blieb vor mir stehen, grüßte und fragte: »Brauchst du den Schwarzen Kasten immer noch?«
    »Den Kasten?«, murmelte ich, ohne von der Reklamation aufzublicken. »Na ja … Welchen Kasten meinst du eigentlich?«
    »Ich störe wohl gerade«, begann Edik ebenso vorsichtig wie höflich. »Entschuldige bitte, aber der Chef schickt mich. In etwa einer Stunde fährt der neue Aufzug zum ersten Mal über das dreizehnte Geschoss hinaus. Wir könnten die Gelegenheit nutzen.«
    Mein Gehirn war noch immer von den giftigen Dämpfen der Reklamationsrhetorik vernebelt, weshalb ich nur dumpf bemerkte: »Vorstehend erwähnter Aufzug hätte bereits im dreizehnten Geschoss dieses Jahres an unsere Adresse versandt werden sollen …«
    Dann erst erreichten die ersten Bits von Ediks Information meine grauen Zellen. Ich legte den Stift beiseite und bat Edik, seine Aussage zu wiederholen, was er geduldig tat.
    »Ist das sicher?«, flüsterte ich tonlos.
    »Absolut«, antwortete Edik.
    »Gehen wir«, schlug ich vor und zog aus einer Schublade den Ordner mit den Kopien meiner Anträge hervor.
    »Wohin?«
    »Wie wohin? Ins sechsundsiebzigste!«
    »Doch nicht sofort«, entgegnete Edik kopfschüttelnd. »Zu erst müssen wir zum Chef.«
    »Wozu das?«
    »Er hat darum gebeten, dass wir vorbeischauen. Mit dem sechsundsiebzigsten Geschoss hat es etwas auf sich. Der Chef will uns zuerst instruieren.«
    Ich zuckte mit den Schultern und verzichtete auf weitere Diskussionen. Ich zog mein Jackett über, holte den Antrag für den Schwarzen Kasten aus dem Ordner, und wir machten uns auf den Weg zu Ediks Chef, Fjodor Simeonowitsch Kiwrin, Leiter der Abteilung für Lineares Glück.
    Vor dem vergitterten Aufzugschacht im ersten Stock herrsch te ungewöhnliches Treiben. Die Tür zum Schacht stand offen, die der Aufzugkabine ebenfalls, und man konnte darin viele leuchtende Lampen, schimmernde Spiegel und matt glänzende Oberflächen sehen. Unter einem alten, bereits vergilbten Transparent mit der Aufschrift »Nehmen wir den Aufzug zum Feiertag in Betrieb!« drängten sich Neugierige und solche, die unbedingt mitfahren wollten. Alle lauschten ehrfurchtsvoll den Worten des stellvertretenden Verwaltungsdirektors Modest Matwejewitsch Steinbeißer, der vor einer Kolonne Monteure der Solowetzer Baugrubenaufsicht gerade eine Rede hielt.
    »… Das muss ein Ende haben«, sagte Modest Matwejewitsch eindringlich. »Das hier ist ein Aufzug, und nicht irgendein Spektroskop oder Mikroskop. Ein Aufzug ist zum einen ein wichtiges Fortbewegungsmittel – und ein Transportmittel. Ein Aufzug muss sein wie ein Kipplader: Er kommt, lädt ab und fährt wieder zurück. Das wäre also erstens. Der Administration ist längst bekannt, dass viele Genossen Wissenschaftler, darunter einzelne Akademiemitglieder, den Aufzug nicht zu bedienen wissen. Dagegen kämpfen wir, damit machen wir Schluss. Es wird eine Aufzugfahrprüfung geben, unabhängig von früheren Verdiensten … Die Einführung des Titels ›hervorragender Aufzugführer‹ und so weiter. Das wäre zweitens. Die Monteure müssen ihrerseits jedoch den störungsfreien Betrieb gewährleisten. Verstehen Sie, es geht nicht an, sich auf ›objektive Umstände‹ zu berufen. Unsere Devise lautet: ein Aufzug für alle. Ohne Ansehen der Person. Der Aufzug muss in der Lage sein, selbst dem Zutritt des ungeschultesten Akademiemitglieds standzuhalten …«
    Wir arbeiteten uns durch die Menge und setzten unseren Weg fort. Ich war beeindruckt von der Feierlichkeit dieser improvisierten Kundgebung. Man spürte: Heute würde der Aufzug endlich in Betrieb gehen und vielleicht sogar einen ganzen Tag lang funktionieren. Ein wahrhaft bedeutender Augenblick.
    Der Aufzug war schon immer die Achillesferse unseres Instituts gewesen – auch von Modest Matwejewitsch persönlich. Eigentlich war daran gar nichts Besonderes; es war ein Aufzug wie jeder andere, mit guten und schlechten Eigenschaften. Wie jeder

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