Gesammelte Werke 6
zu tun. Du bist kein Cristóbal Junta und ich auch nicht.«
»Machen Sie sich keine Sorgen«, bat ich. »Ich werde im Wagen schlafen, es ist ja nicht das erste Mal.«
Ich bekam plötzlich schreckliche Sehnsucht nach ordentlichem Bettzeug. Vier Nächte hatte ich schon im Schlafsack verbracht.
»Hör mal«, sagte der Hakennasige. »Da ist doch noch die Hüahü!«
»Ja, sicher!«, rief der Bärtige.»Ab in die Meeresbucht mit ihm!«
»Es macht mir wirklich nichts aus, im Wagen zu schlafen«, wiederholte ich.
»Sie werden in einem richtigen Haus schlafen«, erklärte der Hakennasige. »In relativ sauberer Bettwäsche sogar. Irgendwie müssen wir uns doch erkenntlich zeigen.«
»Wir können Ihnen ja schließlich kein Trinkgeld zustecken«, lachte der Bärtige.
Wir fuhren in die Stadt hinein. Vorbei an altertümlichen, doch soliden Zäunen und wuchtigen Blockhäusern aus mäch tigen dunklen Balken; sie hatten kleine Fenster, geschnitzte Fensterrahmen und einen hölzernen Hahn auf dem Dach. Dazwischen standen ein paar alte Ziegelbauten mit eisernen Toren, bei deren Anblick mir das fast vergessene Wort »Korn speicher« in den Sinn kam. Die Straße war breit und schnurgerade und nannte sich »Prospekt des Friedens«. Weiter zum Zentrum hin sah man auch zweistöckige Häuser aus Schlackenstein mit offenen Vorgärten.
»Die Nächste nach rechts«, sagte der Hakennasige.
Ich blinkte, bremste und bog rechts ab. Hier war die Fahrbahn mit Gras bewachsen, und doch sah ich dicht an einem Tor einen nagelneuen Wagen der Marke »Saporoshez« ste hen. An den Toren hingen Hausnummern, die Zahlen auf den rostigen Schildern waren jedoch kaum zu erkennen. Die Gasse trug den stolzen Namen »Straße an der Meeresbucht«. Sie war schmal und wurde von schweren alten Zäunen begrenzt, die anscheinend noch aus der Zeit stammten, als hier schwedische und norwegische Piraten ihr Unwesen trieben.
»Halt«, rief der Hakennasige. Ich bremste, und er stieß erneut mit der Nase gegen den Gewehrlauf. »Jetzt machen wir’s so«, begann er und rieb sich an seiner Nase. »Sie warten hier, bis ich alles geregelt habe.«
»Das ist wirklich nicht nötig«, erklärte ich ein letztes Mal.
»Keine Widerrede! Wolodja, pass gut auf ihn auf.«
Der Hakennasige stieg aus und zwängte sich geduckt durch das niedrige Tor; mit seinen pudschweren rostigen Angeln hätte es gut zu einem Eisenbahndepot gepasst. Hinter dem hohen grauen Zaun war kein Haus zu entdecken. Erstaunt betrachtete ich daher die Anschläge. Es waren drei. Am linken Torflügel prangte unter dickem Glas eine silberne Aufschrift auf dunkelblauem Grund:
Fifhuz
Hütte auf Hühnerbeinen
Denkmal
aus dem alten Solowetz
Am rechten Torflügel hing oben ein rostiges Blechschild: »N. K. Gorynytsch, Straße an der Meeresbucht 13«, und darunter war ein Stück Sperrholz angebracht, auf das jemand mit Tinte gekritzelt hatte:
Kater außer Betrieb
Die Verwaltung
»Was für ein ›Kater‹?«, fragte ich. »Die Kooperative Abteilung des Territoriums?«
Der Bärtige kicherte. »Machen Sie sich keine Sorgen«, sagte er. »Bei uns geht es ein bisschen verrückt zu, ansonsten aber hat alles seine Richtigkeit.«
Ich stieg aus und putzte die Windschutzscheibe. Da hörte ich über mir plötzlich ein Rascheln. Ich schaute auf. Oben auf dem Tor reckte und streckte sich ein schön gezeichneter schwarzgrauer Kater von einer solchen Größe, wie ich es noch nie gesehen hatte. Nachdem er die richtige Lage gefunden hatte, blickte er mich mit seinen gelben Augen gleichgültig und träge an. »Miez, miez, miez«, machte ich automatisch. Ebenso höflich wie kühl riss der Kater den mit scharfen Zähnen besetzten Rachen auf, stieß einen heiseren, kehligen Laut aus, wandte sich ab und blickte in den Hof hinunter. Von dort drang die Stimme des Hakennasigen über den Zaun.
»Wassili, mein Freund, darf ich Sie mal stören?«
Der Riegel quietschte. Der Kater stand auf und ließ sich lautlos in den Hof hinuntergleiten. Das Tor schaukelte schwerfällig in den Angeln, ein fürchterliches Knarren setzte ein, und langsam schob sich die linke Torhälfte auf. In der Öffnung erschien das vor Anstrengung rote Gesicht des Hakennasigen.
»Mein Wohltäter!«, rief er. »Fahren Sie den Wagen auf den Hof!«
Ich stieg wieder in den Moskwitsch und fuhr langsam durch das Tor. Der Hof war sehr geräumig. Weiter hinten stand ein Haus aus dicken Balken und davor eine mächtige, gedrungene Eiche, deren dichte, weit ausladende
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