Gesammelte Werke
in dem meine Seele zu Füßen der himmlischen Ermengard dahinschmolz! O, herrlich war der Engel Ermengard! Und vor dieser Erkenntnis versank alles andere. – O, göttlich war der Engel Ermengard! Und ich ertrank im Blick ihrer unergründlichen Augen und sah und suchte nur sie.
Ich vermählte mich mit Ermengard – und fürchtete nicht den Fluch, den ich auf mich herabgeschworen hatte, und seine Schrecken suchten mich nicht heim. Da kam noch einmal – ein einziges Mal durch das Schweigen der Nacht das süße Seufzen wieder zu mir, und es formte sich zu einer wohlbekannten, inbrünstigen Stimme:
»Schlafe in Frieden! Denn der Geist der Liebe lebt und herrscht. Und wenn du glühenden Herzens Ermengard umarmst, bist du – aus Gründen, die dir dereinst im Himmel offenbar werden sollen – deines Gelübdes an Eleonora entbunden.«
Das ovale Porträt
Egli è vivo e parlerebbe se non osservasse la rigola del silentio
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I NSCHRIFT UNTER EINEM G EMÄLDE VON S T . B RUNO
Ich hatte in einem außerordentlichen, heftigen und langandauernden Fieber gelegen. Alle Heilmittel, die sich in dieser unwirtlichen Gegend der Apenninen auftreiben ließen, waren erfolglos angewendet worden, und schließlich hatten sie sich erschöpft. Was war nun zu tun? Mein Diener und einziger Gefährte in dem verlassenen Schloss war zu unbedacht und zu ungeschickt, um mir zur Ader lassen zu können; überdies hatte ich in der Schlägerei mit den Banditen schon allzu viel Blut verloren. Auch konnte ich meinen Knecht nicht nach fremder Hilfe ausschicken und selbst allein und hilflos hier zurückbleiben. Da erinnerte ich mich endlich eines Päckchens Opium, das sich bei meinem Rauchtabak und der Huhkapfeife befinden musste; ich hatte nämlich in Konstantinopel die Gewohnheit angenommen, den Tabak mit dem Gift gemischt zu rauchen.
Pedro reichte mir die Tabaksbüchse. Ich suchte und fand das Narkotikum. Doch als ich ein Stück abschneiden wollte, fühlte ich, dass hier erst überlegt werden müsse. Beim Rauchen war es ziemlich belanglos, wie viel Opium dem Tabak beigemengt wurde. Für gewöhnlich hatte ich den Pfeifenkopf zur Hälfte mit einem Gemisch von Opium und geschnittenem Tabak gefüllt, von beidem gleich viel. Zuweilen konnte ich diese Mischung ganz aufrauchen, ohne irgendwie besondere Folgen zu verspüren; zu anderen Zeiten hatte ich kaum zwei Drittel dieser Dosis geraucht, als ich schon beunruhigende Anzeichen geistiger Verwirrung verspürte, die mich warnten, weiterzurauchen. Aber die Wirkung des Giftes nahm stets nur gradweise und allmählich zu, und so konnte ich, indem ich jener ersten Warnung folgte, jede ernstliche Gefahr vermeiden.
Hier jedoch lag der Fall anders. Ich hatte nie vorher Opium geschluckt. Laudanum und Morphium waren gelegentlich schon von mir genommen worden, und diesen Mitteln gegenüber hätte ich keine Ursache gehabt, zu zögern. Konzentriertes Opium aber hatte ich noch nie angewendet. Pedro wusste ebensowenig wie ich, welche Dosis genommen werden durfte, und so war ich in diesem dringenden und wichtigen Fall ganz und gar meinen Mutmaßungen überlassen. Trotzdem empfand ich keine sonderliche Unruhe, denn ich hatte beschlossen, in der Anwendung dieses Medikaments gradweise vorzugehen. Zunächst wollte ich eine sehr kleine Dosis nehmen; sollte sie sich wirkungslos erweisen, so würde ich die zweite gleich große Portion folgen lassen – und so weiter, bis ich ein Nachlassen des Fiebers verspüren oder den so dringend notwendigen Schlaf finden würde, dessen Segen meine taumelnden Sinne nun schon fast eine Woche nicht genossen hatten.
Ohne Zweifel war eben diese Sinnverwirrung, war das dumpfe Delirium, das schon auf mir lastete, die Ursache, dass ich meine Schlussfolgerung nicht als falsch erkannte, sondern so blind blieb, hier, wo doch kein Normalmaß mir als Anhaltspunkt dienen konnte, irgendetwas für groß oder klein anzusehen. Ich hatte in jenem Augenblick nicht die leiseste Ahnung davon, dass das, was ich für ein außerordentlich geringes Quantum von Opium hielt, in Wirklichkeit ein übermäßig großes sei. Im Gegenteil, ich erinnere mich gut, dass ich das Stückchen, das ich nehmen wollte, einfach nach seinem Größenverhältnis zu dem ganzen Klumpen abschätzte, den ich in der Hand hielt, und bei diesem Vergleich war die Portion, die ich also schluckte – tatsächlich nur ein sehr kleiner Teil.
Das Schloss, in das mein Diener einzudringen gewagt hatte, um mich, der ich arg verwundet war und mich in
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