Gesammelte Werke
Liebhaber und künftige Gatte Maries, der im Haus ihrer Mutter wohnte, gibt an, er habe von der Auffindung der Leiche seiner Zukünftigen erst am folgenden Morgen gehört, als Herr Beauvais bei ihm eintrat und ihm davon berichtete. Wir sind erstaunt, wie kühl die Schreckensbotschaft entgegengenommen wurde.«
In dieser Weise versuchte die Zeitung ihre Leser zu überzeugen, dass die Familie Maries den Ereignissen eine Gleichgültigkeit entgegenbringe, die unvereinbar sei mit der Annahme, dass jene die Leiche als die des Mädchens anerkenne. Die Vermutungen des Blattes sind diese: Marie habe mit Wissen ihrer Freunde die Stadt verlassen, aus Gründen, die ihre jungfräuliche Reinheit in Frage stellten, und diese Freunde hätten die Gelegenheit der Auffindung einer Leiche, die mit der Vermissten einige Ähnlichkeit aufweise, benutzt, um die Öffentlichkeit von ihrem Tod zu überzeugen. Doch der »Etoile« war übereifrig gewesen. Es wurde klar erwiesen, dass aufseiten der Familie durchaus keine Gleichgültigkeit herrschte; dass die alte Dame außerordentlich hinfällig und viel zu aufgeregt war, um irgendwelchen Pflichten genügen zu können; dass St. Eustache, weit davon entfernt, die Nachricht kühl aufzunehmen, vor Kummer außer sich war und sich so rasend gebärdete, dass Herr Beauvais einen Freund und Verwandten ersuchte, ihn zu bewachen und zu verhindern, dass er der Wiederausgrabung der Leiche beiwohne. Und obgleich der »Etoile« behauptete, dass die Leiche nunmehr auf öffentliche Kosten beerdigt wurde – dass ein vorteilhaftes Angebot eines Privat-Begräbnisses von der Familie schroff abgelehnt wurde – und dass kein Familienmitglied der Zeremonie beiwohnte –, obgleich, sage ich, alles dies vom »Etoile« zur Bekräftigung der von ihm aufgestellten Ansicht behauptet wurde –, so wurde doch alles genügend widerlegt. In einer späteren Nummer machte das Blatt den Versuch, Beauvais selbst zu verdächtigen. Es hieß da:
»Die Sachlage ändert sich nun. Wir erfahren, dass Herr Beauvais eines Tages zu einer sich damals im Hause Rogêt aufhaltenden Frau B. sagte, er beabsichtige auszugehen, es werde vermutlich ein Gendarm kommen, dem sie nichts über die Angelegenheit sagen solle, ehe er zurück sei; sie möge die Sache ihm selbst überlassen … So wie die Dinge jetzt stehen, scheint es, als habe Herr Beauvais sie in seinem Gehirnkasten hinter Schloss und Riegel gesetzt. Nicht der kleinste Schritt kann ohne Herrn Beauvais geschehen, denn welchen Weg man auch einschlägt – immer stößt man auf ihn … Aus irgendeinem Grund wünscht er, dass niemand außer ihm mit den Nachforschungen zu tun habe, und er hat nach Angabe der männlichen Verwandten sie alle in höchst sonderbarer Weise beiseitegeschoben. Es widerstrebte ihm anscheinend sehr, den Verwandten die Besichtigung der Leiche zu gestatten.«
Folgende Tatsache wirft ein wenig Licht auf die Verdächtigung gegen Herrn Beauvais. Einige Tage vor dem Verschwinden des Mädchens hatte ein Herr, der Beauvais in seinem Büro besuchen kam und diesen abwesend fand, im Schlüsselloch eine Rose stecken gesehen und auf einer nahebei hängenden Tafel den Namen »Marie« gelesen.
Die allgemeine Auffassung der Sache – soweit wir sie den Zeitungen entnehmen konnten – schien die zu sein, dass Marie das Opfer einer wüsten Bande geworden sei, die sie über den Fluss geschleppt, misshandelt und ermordet habe. Der ›Commercial‹ jedoch, ein Blatt von weittragender Bedeutung, suchte ernstlich diese Volksmeinung zu widerlegen. Ich zitiere ein paar Stellen aus seinen Spalten:
»Wir sind überzeugt, dass die Verfolgung bisher auf falscher Fährte war, sofern sie die Barrière du Roule im Auge hatte. Es ist ausgeschlossen, dass eine Tausenden bekannte Persönlichkeit, wie dieses junge Weib, drei Häuserquadrate durchqueren könnte, ohne erkannt zu werden; und wer sie erkannt hätte, würde sich dessen erinnern, denn sie interessierte jeden, der sie kannte. Ihr Fortgang erfolgte zu einer Zeit, da die Straßen voller Menschen waren … Es ist unmöglich, dass sie zur Barrière du Roule oder Rue des Drômes gegangen sein sollte, ohne von einem Dutzend Leuten erkannt worden zu sein; dennoch hat sich niemand gemeldet, der sie außerhalb des mütterlichen Hauses gesehen hätte, und was spricht dafür, dass sie es überhaupt verlassen hat – ausgenommen die ausgesprochene Absicht dazu? Ihr Kleid war zerrissen und wie ein Strick um ihren Leib geknotet – offenbar ist die Leiche
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