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Gesammelte Werke

Gesammelte Werke

Titel: Gesammelte Werke Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edgar Allan Poe
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›besänftigt‹ werden, wie man so sagt, im Grunde aber ist er immer geneigt, in Tobsucht auszubrechen. Seine Verschlagenheit ist groß, ja sprichwörtlich. Wenn er einen Plan hat, so verbirgt er seine Absicht mit bewunderungswürdiger Schlauheit, und die Gewandtheit, mit der er ein Geheiltsein vortäuscht, bietet den Psychiatern eines der seltsamsten Probleme. In der Tat: Wenn ein Geisteskranker vollkommen gesund erscheint, ist es hohe Zeit, ihn in die Zwangsjacke zu stecken.«
    »Aber die Gefahr, mein lieber Herr – von der Sie sprachen, sie als Leiter der Anstalt aus eigener Erfahrung kennengelernt zu haben – war es irgendein praktischer Fall, der Sie dahin brachte, die Freiheit eines Geisteskranken für gefährlich zu halten?«
    »Hier? – Aus eigener Erfahrung? – Ja, allerdings! Vor gar nicht langer Zeit ereignete sich hier im Haus ein eigentümlicher Fall. Das ›Besänftigungssystem‹ war damals noch in Anwendung, und die Kranken gingen frei umher. Sie betrugen sich gut, ausnehmend gut – ein kluger Mann hätte gerade daraus den Schluss ziehen müssen, dass irgendein teuflischer Anschlag geplant war. Und natürlich, eines schönen Morgens sahen sich die Wärter an Händen und Füßen gebunden und in die Zellen geworfen, wo sie von den Geisteskranken, die sich das Amt der Wärter angemaßt hatten, bewacht wurden, als seien sie die Kranken.«
    »Nicht möglich! Nie im Leben hab’ ich etwas so Tolles gehört!«
    »Tatsache! – Alles war das Werk eines kühnen Dummkopfs – eines Wahnsinnigen –, der es sich irgendwie in den Kopf gesetzt hatte, ein besseres System zur Behandlung Geisteskranker gefunden zu haben, als je dagewesen war. Er wollte vermutlich einen Versuch damit machen und überredete die anderen Kranken zu einer Verschwörung gegen die herrschende Gewalt.«
    »Und er hatte Erfolg?«
    »Vollständig! Wärter und Kranke mussten ihre Rollen vertauschen. Das stimmt allerdings nicht ganz, denn die Irren waren frei gewesen, die Wärter aber wurden von nun ab in Zellen gesperrt und – leider, muss ich sagen – sehr unhöflich behandelt.«
    »Doch ich vermute, dass bald eine Gegenrevolution eintrat? Jener Zustand kann nicht lange gedauert haben. Die Landleute aus der Nachbarschaft – Besucher der Anstalt – würden Alarm geschlagen haben.«
    »Da irren Sie. Der Rädelsführer war viel zu schlau. Er ließ keine Besucher ein – mit Ausnahme eines einzigen, sehr einfältig aussehenden jungen Mannes, den er nicht zu fürchten brauchte. Er ließ ihn ein, sich die Anstalt zu besehen – ließ ihn ein, aus Spaß – der Abwechslung halber. Und als er ihm dann genug weisgemacht hatte, ließ er ihn wieder hinaus und schickte ihn weiter.«
    »Und wie lange regierten die Irrsinnigen?«
    »O, lange Zeit – wenigstens einen Monat –; wie viel länger, kann ich nicht genau sagen. Sie hatten eine gute Zeit, die Wahnsinnigen – das können Sie mir glauben! Sie legten ihre eigenen schäbigen Kleider ab und schmückten sich mit den Gewändern und Juwelen der Familie des Anstaltsleiters. In den Kellereien des Schlosses lag ein großer Weinvorrat; und diese Tollen sind gerade die Rechten zum Saufen. Sie lebten gut, sag’ ich Ihnen!«
    »Und die Behandlung – welcher Art war die Behandlung, die der Rädelsführer den Gefangenen angedeihen ließ?«
    »Nun, was das anlangt – ein Geisteskranker ist nicht immer ein Narr, wie ich schon sagte; und es ist meine ehrliche Überzeugung, dass seine Behandlungsweise bei Weitem besser war als die vorhergegangene. Ja wirklich – es war ein ganz prächtiges System – einfach – klar – ohne viel Umstände – kurzum, ein großartiges – – – –«
    Hier wurde meinem Gastgeber das Wort abgeschnitten durch eine Wiederholung jener wilden Schreie, wie sie sich schon einmal hatten hören lassen. Diesmal aber schienen sie von Leuten ausgestoßen zu werden, die eilig näher kamen.
    »Herr des Himmels!«, schrie ich auf, »die Wahnsinnigen sind ausgebrochen!«
    »Ich fürchte sehr, dass es so ist«, sagte Herr Maillard, der furchtbar blass wurde. Er hatte kaum ausgesprochen, als man unter den Fenstern laute Rufe und Verwünschungen hörte; und gleich darauf stellte es sich heraus, dass man von draußen versuchte, in den Saal einzudringen. Hammerschläge sausten gegen die Tür, und auch die Fensterladen wurden mit aller Kraft bearbeitet.
    Eine entsetzliche Verwirrung war die Folge. Herr Maillard kroch zu meiner höchsten Verwunderung unter den Servierschrank. Ich hätte

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