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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
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Grunde konnte er zufrieden sein, denn er hatte seinen Auftrag erfolgreich ausgeführt, ja, er hatte das Soll sogar übererfüllt, indem er versucht hatte, seine Beobachtungen auch am Nachmittag weiterzuführen. Seine Schuld war es nicht gewesen, dass sie dem Garten fernblieb, dafür hatte er sie am Morgen in aller Ruhe betrachtet und konnte nun die Vermutung seines Herrn bestätigen. Zusätzlich hatte er noch zwei weitere Exemplare dieser verhassten und immer noch nicht endgültig ausgerotteten Todfeinde ausmachen können. Auch die hässliche Alte, die geglaubt hatte, ihn mit ihrem Räucherwerk vertreiben zu können, und ihr skurril ausschauender Ehemann waren Lichtelben. Ihre Tarnung war perfekt, aber er hatte sie dennoch erkannt. Schließlich machte er das nicht zum ersten Mal, er hatte Erfahrung, wusste durch die äußere menschliche Gestalt hindurch das elbische Wesen zu enttarnen. Tatsächlich – er war heute ungewöhnlich erfolgreich gewesen und konnte stolz auf sich sein!
    Er war es jedoch nicht. Schlimmer noch: In der Tiefe seines Herzens schämte er sich dafür, diese Wesen ausgespäht zu haben und sie nun an seinen Herrn preiszugeben. Es würde ihre Vernichtung bedeuten, denn die Nachtschatten ließen keinen Lichtelben am Leben, so war es immer gewesen, solange er lebte. Die Lichtelben stellten gefährliche Feinde dar, die sich des Feuers der Sonne bedienen konnten, um den Nachtschatten das Nebelreich oben im Norden zu entreißen. So hatten es seine Lehrmeister ihm erklärt, aus diesem Grund war er von kleinauf zum Kämpfer ausgebildet worden. Klugheit, List und Kaltblütigkeit bildeten die Ideale, die er und seine Altersgenossen anstrebten, und unzählige Lichtelben waren schon von ihnen ausgespäht und getötet worden.
    Sie hielten sich überall auf dem Erdenball verborgen, versteckten sich in den gleißenden Fluten der Wasserfälle, im schimmernden Silberlaub der Olivenbäume, lebten als Menschen verkleidet in den Dörfern und Städten. Inzwischen fand er es nicht mehr besonders heldenhaft, einen Lichtelben zu töten, denn kein einziger hatte sich je ernsthaft zur Wehr gesetzt, schon gar nicht das Feuer der Sonne auf ihn geschleudert. Vielleicht lag es daran, dass sein Erfolg ihm so wenig Befriedigung verschaffte. Vielleicht war aber auch das Gesicht des Mädchens daran schuld, das ihm so zart und unschuldig erschienen war, als er sich über sie beugte. Sie hatte ihn mit eisblauen Elbenaugen angesehen, und er hatte große Lust verspürt, sie zu berühren. Nicht um sie zu töten, damit war er nicht beauftragt. Noch nicht. Es missfiel ihm, dass man dieses Wesen auslöschen würde, das war es. Es war schade um sie, denn sie war schön und hatte niemandem, auch keinem Nachtschatten, etwas zuleide getan.
    Die Nacht näherte sich ihrer Mitte, als er das Gebirge unter sich erblickte. Durch Wiesen und bewaldete Hügel wand sich eine kahle Bergkette gleich einem grauen Reptil bis hin zur Küste, wo sie als felsige Halbinsel ins Meer hineinragte. Dieses Eiland war ein öder Ort, den sogar die Meeresvögel mieden, kein Halm wuchs dort, nicht einmal Moose oder Flechten hielten sich an dem glatten Gestein. Wie eine natürliche Festung trotzten die steilen Felswände den Angriffen des Meeres, das sich immer wieder zornig gegen das harte Gestein warf, und an den vorgelagerten Klippen war schon so manches Fischerboot zerschellt. Mitten durch die Halbinsel zog sich eine Schlucht, die von oben gesehen einem zackig gerandeten schwarzen Spalt glich. Dort unten auf dem Grund der Schlucht, weitaus tiefer als auf dem Meeresboden und in vollkommener Sicherheit vor jedem Angreifer, befand sich der Wohnsitz seines Herrn.
    Der Sturm, der unter ihm heulte, passte recht gut zu seiner Stimmung, es machte ihm Spaß, aus der Wolke herauszugleiten und den Kampf mit den Windbräuten aufzunehmen. Sie rissen seinen Körper mit sich fort, zerrten an ihm, stritten sich heulend um die Beute, jagten ihr Opfer so dicht über den aufgewühlten Wellen dahin, dass die eisigen Hände der Meeresfrauen lüstern nach ihm griffen. Eine Weile überließ er sich diesem Spiel, wiegte die Windbräute in dem Glauben, ihnen hilflos ausgeliefert zu sein. Dann jedoch, kurz bevor die boshaften Geister ihn gegen den steilen Fels geschleudert hätten, stemmte er sich machtvoll gegen ihren wilden Atem. Geschickt nutzte er ihre Kräfte für den eigenen Flug, warf sich ihnen mit ausgebreiteten Armen entgegen und ließ sich, einem großen Seevogel gleich, von ihrem

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