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Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung
Autoren: Megan MacFadden
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jeden Fall zeigte seine unbewegliche Miene, dass er ihn nicht zur Kenntnis nahm. Gorian streckte einen Arm aus, und ein Schwarm Nachtfalter löste sich von der Felswand, um sich auf seinem weiten Ärmel niederzulassen.
    »Das Mädchen ist also mit Sicherheit eine Elbin?«
    Darion nickte schweigend. Wozu diese Frage? Er hatte es doch gerade eben berichtet. Es war schwer, angesichts des mächtigen Herrn der Schattenelben auf Widerspruch zu sinnen, doch Darion war fest entschlossen, den nun fälligen Auftrag abzulehnen. Er würde eine Ausrede finden, und wenn das alles nicht half, würde er sich weigern. Selbst auf die Gefahr hin, bestraft zu werden, schlimmstenfalls seinen Status als Krieger zu verlieren. Aber er war nicht bereit, dieses Mädchen zu töten.
    »Ich bin sehr zufrieden mit dir, Darion«, hörte er die leise Stimme des Herrschers.
    Sie klang ungewöhnlich sanft in seinen Ohren, fast schmeichelnd, doch er spürte dahinter eine boshafte Tücke.
    »Ich danke Euch, mein Herrscher!«
    Er verneigte sich wieder und tat dabei zugleich mehrere Schritte rückwärts, um sich so aus dem Bereich des Herrn zu entfernen. Es war lächerlich genug, denn Gorian war auf diese Weise nicht zu übertölpeln.
    »Du wirst noch heute Nacht an diesen Ort zurückkehren!«, erklang der gefürchtete Befehl.
    Darion sammelte seinen Mut und beschloss, es zuerst mit dem Argument der Erschöpfung zu versuchen. Er hatte den ganzen Tag über als winziger Punkt zusammengedrängt im Schatten einer Mauer gehockt und war dann ohne Pause hinauf zur Nordküste geflogen. Er hatte sich mit den wilden Windbräuten angelegt, die ihn viel Kraft gekostet hatten.
    »Herr, ich bin …«
    »Hör mir jetzt gut zu, Darion!«, unterbrach der Herr der Nachtschatten ihn. »Der Auftrag, den ich dir erteile, ist von größter Wichtigkeit für uns alle. Schwöre mir, mit keinem Wesen, das auf diesem Erdenball lebt – gleich ob Geist, Mensch oder Tier –, darüber zu sprechen!«
    Er begriff nichts, doch ganz offensichtlich ging es um mehr als die Tötung dreier Lichtelben. Umso schwerer würde es nun sein, diesen Auftrag abzulehnen. Er zögerte – vielleicht war es klüger, mit seiner Weigerung zu warten, bis er wusste, woran er war?
    »Schwöre beim Kairon und bei allen Geistern der Nacht, dass du schweigen wirst!«
    Er gehorchte. Was auch immer nun kommen würde: Er hatte noch keinen Gehorsam gelobt, er hatte nur versprochen, darüber zu schweigen.
    »Ich will, dass du dir dieses Mädchen genauer anschaust. Finde heraus, ob sie zwischen ihren Schulterblättern ein Zeichen trägt!«
    Er war auf alles Mögliche gefasst gewesen, doch nicht auf solch eine seltsame Anweisung. Gorians sonst so unbewegliche Züge verzogen sich zum Anflug eines Grinsens – vermutlich schaute der Krieger Darion jetzt ausgesprochen dümmlich drein.
    »Was … was für ein Zeichen, Herr?«
    »Ein Sonnenzeichen. Ein Kreis mit einer Flammenaureole.«
    »Auf … auf ihrer bloßen Haut? Eine Art Muttermal?«
    Gorian schüttelte die Nachtfalter mit einer ungeduldigen Bewegung von seinem Ärmel und war für einen Augenblick von dem flatternden Schwarm umgeben.
    »Gewiss. Aber es ist nicht braun, sondern lindgrün. Man sagt sogar, dass es silbrig schimmert, doch das halte ich für ein Gerücht.«
    Darion nickte, obgleich er keineswegs sicher war, ob er diesen Auftrag annehmen oder ablehnen sollte. Er hatte noch nie zuvor davon gehört, dass Lichtelben ein Sonnenzeichen zwischen den Schulterblättern trugen. Aber wenn Gorian wissen wollte, ob das Mädchen ein solches Zeichen an ihrem Rücken hatte, dann waren wohl nicht alle Lichtelben damit ausgestattet. Irgendein Geheimnis steckte dahinter, das Gorian ihm ganz sicher nicht offenbaren würde. Es war Teil des geheimen Wissens der Nachtschatten, das nur der Herrscher und wenige Eingeweihte kannten und das man nicht mit einem einfachen Krieger teilte.
    »Du musst dich vorsehen, während du danach suchst«, fuhr Gorian fort. »Niemand darf dich erkennen, auch darfst du die Elben auf keinen Fall erschrecken! Sie dürfen nichts von deinem Tun bemerken, verstehst du?«
    »Ich verstehe sehr gut, Herr …«
    Das bedeutete nichts anderes, als dass die drei am Leben gelassen wurden, solange er nach diesem seltsamen Zeichen forschte. Was aber würde Gorian von ihm verlangen, wenn er darüber Klarheit hatte?
    »Ich habe dich für diese Aufgabe ausgewählt, weil ich glaube, dass du ebenso listig wie mutig bist. Enttäusche mich nicht, Darion!«
    Das Lob
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