Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gesang der Daemmerung

Gesang der Daemmerung

Titel: Gesang der Daemmerung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan MacFadden
Vom Netzwerk:
Woher kannte sie die Melodie? Sie sang eine Weise, die tief aus ihrem Inneren aufstieg – das Lied der Elbenkönigin, das Eolin einst gesungen hatte. Wie ein silberner Fluss strömte es durch das Tal, brachte den starren Fels zum Klingen, ließ ihn zittern und vibrieren, bis er endlich mit lautem Getöse auseinanderbrach. Ein tiefer Riss zog sich von oben bis unten durch den Stein, und aus dem Spalt schoss schäumend das klare Bergwasser hervor.
    Gorian hatte das Geschehen voller Spannung verfolgt, jetzt stürzte er sich gierig auf den Quell, um mit beiden Händen daraus zu schöpfen. Doch Marian trat ihm mit ausgebreiteten Armen in den Weg.
    »Diese Quelle gehört meinem Volk!«, rief sie laut. »Sie werden die Ersten sein, die davon trinken!«
    »Deinem Volk?«, lachte Gorian höhnisch. »Du hast kein Volk, Elbin. Es gibt keine Lichtelben mehr, nur ein paar jämmerliche Gestalten, die sich als Menschen verkleidet haben und so meinen Kriegern entkamen …«
    »Du täuschst dich, Herr der Nachtschatten!«
    Plötzlich war das Tal von hellem Licht erfüllt. Das Wasser des Lebens hatte sich seinen Weg durch das ausgetrocknete Bachbett gesucht, und die Wesen, die davon tranken, verwandelten sich. Aus den traurigen, mutlosen Elben, die ihrer Königin gefolgt waren, wurden wieder jene Krieger, die in grauer Vorzeit der Schrecken der Nachtschatten gewesen waren. Pfeile zuckten wie Blitze durch das Tal, Speere flogen, schlanke Krieger hielten hell schimmernde Schwerter in ihren Händen. Ein feuriger Lichtblitz traf Darions gefesselte Arme, schnitt die Stricke durch und schützte ihn zugleich vor seinen Bewachern.
    »Verräterin!«, kreischte Gorian. »Verfahrt mit dem Gefangenen, wie ich befohlen habe!«
    Doch die Nachtschattenkrieger waren nicht in der Lage, den Befehl ihres Herrn auszuführen. Ein wütender Kampf war entbrannt, immer neue Lichtelben erstanden wie durch Zauberei, sie stiegen von den Felswänden herab, drängten aus dem Hintergrund des Tales heran. Auch die toten Bäume belebten sich, richteten sich auf, und an ihren Zweigen sprossen grüne Blätter. Aus den belaubten Ästen wanden sich junge Elben, ihre Körper leuchteten wie Flammen, und sie zögerten nicht, sich in den Kampf zu stürzen.
    Gorian begriff nun endlich, dass seine Krieger im Nachteil waren, und stürzte sich in blinder Wut auf die junge Königin der Lichtelben.
    »Stirb!«, kreischte er. »Lieber soll niemand die Quelle besitzen, als dass ich sie den Lichtelben lasse!«
    Es war Darions Stunde, der Moment, da er Marians Leben retten und ihr seine Treue beweisen konnte. Und es war die lang ersehnte Rache an dem Herrn der Nachtschatten, der ihm schon so vieles angetan hatte. Gorian fiel, von seinem eigenen Schwert getroffen, das Darion ihm entwand, und noch während der Herr der Nachtschatten sein Leben aushauchte, zerrten die Windischen seinen Körper in die Luft empor.

Kapitel 30
    »Nun geh schon!«, hatte Aladion zu ihm gesagt. »Weshalb stellst du dich so an?«
    Darion hatte sich schweigend abgewandt. Wie kam Aladion dazu, ihm diesen Weg zuzumuten? Zu ihr, die doch nun eine ganz andere war. Unerreichbar, die Herrin ihres Volkes, die Königin der Lichtelben. Was sollte sie wohl mit einem Nachtschattenkrieger anfangen? Sie würde einen Lichtelben zu ihrem König erwählen, einen jener schlanken jungen Krieger, die sie von dem jahrhundertealten Bann erlöst hatte. Sie musste es tun, sie war es ihrem Volk schuldig.
    »Es kann keinen besseren Unterhändler als dich geben, Darion!«, hatte Aladion ihn bedrängt. »Wir wollen einen dauerhaften Frieden begründen, das wird sowohl den Lichtelben als auch den Nachtschatten von Nutzen sein. Nimm dich, verdammt noch mal, zusammen, und vergiss deine persönlichen Geschichten! Es geht um eine wichtige Sache.«
    »Geh selbst!«, hatte Darion geknurrt.
    Es war eine überflüssige Retourkutsche, denn er wusste recht gut, dass Aladion nicht abkömmlich war. Der Alte hatte tatsächlich den Palast angegriffen und ihn in Gorians Abwesenheit ohne viel Mühe erobert. Einige Wassermänner und Gnome waren durch das Höhlensystem des Kairon in die unterirdischen Gänge eingedrungen, hatten sich dort bis hinauf zum Eingang durchgeschlagen und den Kameraden die Pforte geöffnet. Der Rest war einfach gewesen – die zurückgebliebenen Krieger und Frauen im Palast leisteten nur wenig Widerstand. Aladions Sieg zog eine Reihe von schwierigen Verhandlungen nach sich, denn seine Verbündeten, die Gnome, Wassergeister und

Weitere Kostenlose Bücher