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Gesang der Rosen

Gesang der Rosen

Titel: Gesang der Rosen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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gegenüber und bemühte sich, die Anwesenheit der Hausfrau, der silberhaarigen Yvonne Tornerre, zu respektieren. Er dämpfte seine von Natur aus laute und polternde Stimme, der es gegeben war, bei der Arbeit den Lärm des Hufschlags zu übertönen und die weite Werkstatt zu füllen. Mit sichtlicher Anstrengung suchte er in seinem derben Wortschatz die gewähltesten Redewendungen, um die Frau des Küsters in keiner Weise zu schockieren.
    Aber so groß seine Mühe auch war, die anzuerkennen Yvonne Tornerre nicht umhin konnte, seine Stimme blieb doch ein dumpfes Grollen, und seinen Worten fehlte der diplomatische Schliff, für den es im Rauch der Kohlenfeuer seiner Schmiede keinen Platz gab.
    »Ehrlich gesagt, lieber Marcel, ich sehe es nicht gern, wenn dein Bengel, der André, mit meiner Jeanette die Hügel durchstreift. Nichts gegen deinen André, versteh mich recht, er ist ein braver Bursche und anständig – das will ich nicht anders sagen. Aber er träumt mir zuviel, weißt du, er macht mein Mädel meschugge mit seinen Geschichten aus früherer Zeit, mit seinen Troubadouren, Minneturnieren und romantischen Flausen. Mein Mädel soll im Leben stehen, soll anpacken, soll wissen, wozu die Hände da sind. Das habe ich immer so gehalten und bin ein redlicher Mann geworden. Aber dein André – versteh mich nicht falsch –, dein André dreht dem Leben den Rücken zu. Er liegt im Gras, reitet mit den Wolken in die Unendlichkeit und steckt damit auch mein Mädel an.«
    Er verstummte, putzte sich mit einem grobgewirkten Taschentuch die Nase und blickte auf den schweigenden, sich den Spitzbart streichenden Küster.
    »Doch was das ärgste ist«, fuhr er dann mit erhobener Stimme fort, »was dir, Marcel, besonders an die Nieren gehen muß: Er leugnet Gott!«
    Erschreckt ließ Yvonne Tornerre den Löffel fallen, mit dem sie in der Suppe gerührt hatte, während Marcel nur gelassen seinen zerknitterten Kopf schüttelte und sagte: »Das tut der André nicht.«
    »Ich habe ihn am Sonntag während der Messe beobachtet«, ereiferte sich Jean Tergnier. »Als der Abbé seine Predigt hielt, saß der Bengel im Stuhl und schrieb in einem Heft. Und als es ans Beten ging, schreckte er auf und wußte nicht mehr, ob er stehen oder knien sollte.«
    »Das ist mir neu«, erwiderte der Küster und warf einen schnellen Blick auf seine Frau, die dem Schmied mehr oder minder entsetzt zuhörte. »Ich habe über André nie zu klagen gehabt.«
    »Du mußt deine Augen aufmachen. Was macht er denn heute wieder? Längst ist Essenszeit. Vor einer halben Stunde schon hast du den Mittag eingeläutet, und wen sehe ich hier nicht? Euren André. Und wer sitzt auch bei mir zu Hause nicht an unserem Tisch? Meine Jeanette. Der Grund ist klar: Sie liegt statt dessen mit deinem Bengel im Gras, von minniglichen Frauen spinnen die beiden, verträumen ihr Leben und verlieren den Blick für die Welt. Da schlag der Blitz drein – das hört mir auf! Jetzt setzt es was, wenn die meine heimkommt!«
    Marcel Tornerre mußte lächeln. Sein André war der letzte, der ihm geblieben war, nachdem zwei Jungen bei Verdun, am Blutberg Donaumont, nacheinander im Heiligen Jahr 1917 gefallen waren, zwei blühende junge Männer, wild und stark wie die Stiere in der Arena von Arles. Gott hatte ihm, dem Küster, André gelassen, und daß dieser träumte, war der Wille Gottes, ein Segen vielleicht, der das heiße Blut, das seinen kriegsfreiwilligen Brüdern zum Verderben geworden war, in ihm zum rauschenden Quell weltferner Gedanken verwandelte. Und war romantisches Träumen nicht fruchtbarer als ungestümes Schäumen, war Träumen nicht ein Sichversenken in das All, in die Sehnsucht nach Frieden, ein Knien am Mund Gottes? Wer zwei Kinder opferte, sieht im dritten ein Mysterium der Liebe.
    »Du bist zu streng, Jean«, sagte Marcel Tornerre milde. »Jeanette steht an der Grenze ihrer Kindheit, und André auch. Laß sie doch nach eigenen Gesetzen wachsen. Ein Mensch ist mehr als die ablaufende Rolle einer aufgespulten Erziehung. Und wenn sie beide träumen, bester Freund – das Leben selbst wird sie früh genug auf den steinigen Pfad stoßen, dazu braucht es deine Hand nicht.«
    Der Schmied dachte nach. Er kaute an der Unterlippe und runzelte die Stirn. Die einfache Philosophie des Küsters ging ihm wohl in den Kopf, aber sie stand seinen Ansichten über das tägliche Leben konträr entgegen. Und eine Brücke schlagen konnte Tergnier nicht. Er verstand es zwar, ein Bandeisen um ein Faß

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