Gesang der Untoten
Platte auf meinem Schreibtisch landete, mit einem Brief von einem
Rechtsanwalt in New York City. Darin stand, wenn wir an der Künstlerin
interessiert wären, könnten wir einen Vertrag mit ihr abschließen, aber nur
unter besonderen Bedingungen. Sie bestand darauf, ihre Aufnahmen im eigenen
Studio zu machen und uns nur den Verkauf zu überlassen. Sie wollte ihre
Identität geheimhalten und weder öffentlich auftreten noch irgendwelchen
Zeitungen oder Magazinen Interviews geben. Und für den Fall, daß wir versuchen
sollten, ihr nachzuspionieren, würde der Vertrag automatisch ungültig. Und die
Scheibe, die der Anwalt geschickt hatte, war absolut sensationell. Mann!« Er
seufzte tief. »Concorde Blues auf der einen Seite, The Days of Blight auf der anderen. Am nächsten Tag saß ich bei diesem Anwalt im Büro und machte
den Vertrag. Er wollte noch nicht einmal über seine Mandantin reden und warnte
mich vor jedem Versuch, ihren Namen zu erfahren. Eine Menge Leute haben das
inzwischen versucht, aber ohne Erfolg. So haben wir es erst gar nicht
probiert.«
»Und jetzt will sie zum
erstenmal in der Öffentlichkeit auftreten?« fragte ich. »Sie müssen das sehr
aufregend finden, Burt.«
»Und wie«, brummte er. »Ich bin
ungeheuer aufgeregt. Und besorgt.«
»Wieso«? meinte ich. »Das wird
doch bestimmt ein Riesenerfolg.«
»Wenn sie überhaupt bis in die
Albert Hall kommt. Ihr Anwalt hat mich angerufen, sie hätte sich die Sache mit
dem öffentlichen Auftritt anders überlegt und wollte es zuerst im Ausland
versuchen. Okay, habe ich gesagt, wir haben gerade eine Tournee für Mango
Pickle and the Undead in der Planung, einen England-Swing, der in der
Albert Hall anfängt. Ob sie nicht Lust hätte, da mitzumachen? Ein paar Tage
später hat er sich wieder gemeldet und gemeint, das ginge in Ordnung. Sophie
Ventura käme zwei Tage vor dem ersten Konzert nach England.«
»Und worüber machen Sie sich
Sorgen?« wollte ich wissen. »Das klingt doch alles recht gut.«
»Raubpressungen sind ein großes
Problem für uns«, sagte er. »Sie pressen unsere Platten nach und verschleudern
sie dann auf dem europäischen Markt. Das ist ein Millionengeschäft. Jemand hat
mir den Tip gegeben, in New Jersey gäbe es eine richtige schwarze
Plattenfabrik, so schickte ich einen Privatdetektiv hinterher, und siehe, es stimmte.
Ich gab der Polizei meine Informationen, und die Brüder wurden ausgehoben.« Er
zuckte traurig die Achseln. »Das hat der Mafia gar nicht gefallen.«
»Der Mafia?« fragte ich.
»Nun ja, dann war es halt nicht
die Mafia«, meinte er, »auf jeden Fall aber ist die Bande gut organisiert. Man
hat mich bedroht. Darum habe ich mir keine großen Sorgen gemacht. Ich ließ mir
ein paar Leibwächter kommen und dachte, irgendwann geben sie es schon auf. Aber
dann hatten sie sich eine bessere Rache ausgedacht. Plötzlich wollten Tick
and Tock ihren Vertrag nicht mehr erneuern. Ich verhandelte mit ihnen, bot
ihnen höhere Tantiemen, bessere Promotion, alles, was sie wollten — aber dann
gestanden sie, daß sie einfach Schiß hatten. Jemand hatte gedroht, sie
umzubringen, wenn sie ihre Verträge mit meiner Gesellschaft erneuern würden.
Und die beiden haben das ernst genommen.«
»Sie wissen nicht, wer
dahintersteckt?« wollte ich wissen.
»Keine Ahnung. Eine New Yorker
Agentur arbeitet seit drei Monaten an diesem Fall, ohne irgendein Ergebnis
anzubringen, und es sieht nicht so aus, als könnten sie überhaupt Erfolg
haben.«
»Und jetzt drohen sie Sophie
Ventura«, warf Johnny bitter ein.
»Das ist der Gipfel!« Ich sah
die beiden an. »Man kann doch dem Publikum nicht eine Künstlerin wie Sophie
Ventura wegnehmen!«
»Das habe ich auch gar nicht
vor«, sagte Burt. »Gestern nacht rief mich jemand an und sagte, Sophie Ventura
würde England nicht lebend verlassen. Sie hätten überall Verbindungen, es käme
gar nicht darauf an, in welchem Land sie sich befände — sie wäre auf jeden Fall
vor ihrem ersten Auftritt tot.«
»Was wollen Sie tun?« fragte
ich.
»Das ist sehr kompliziert. Ich
bin sicher, daß der Anwalt ihr genug Schutz bietet. Wenn wir nicht wissen, wer
sie ist, werden die Gangster es auch nicht herausbekommen. Wenn ich dem Anwalt
sage, daß man ihr Leben bedroht, wird sie wahrscheinlich die Tournee absagen,
und das wäre zu diesem Zeitpunkt eine Katastrophe. In England wird schon
geworben, das Konzert ist längst ausverkauft. Wenn sie nicht auftritt, wird das
nicht nur ihrer Karriere schaden, auch
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