Geschichte der deutschen Sprache
und Bauern) vor. Doch entsteht im Laufe der Zeit aus den nichtadligen Ministerialen und Dienstmannen, die für Klerus und Adel zahlreiche Aufgaben im Reich übernehmen, ein niederer Adelsstand, der für die weitere gesellschaftliche Entwicklung von großer Bedeutung ist. Dies gilt insbesondere auch für die Ausbildung des Ritterstands (also eines Berufskriegerstands), dem zunächst nur niedrige, später auch höhere Adlige angehören: Es entsteht dabei nach dem Vorbild der ritterlich-höfischen Kultur, die sich seit dem Beginn des 12. Jahrhunderts in Frankreich ausbildet, eine eigene Kultur mit besonderen Moralvorstellungen und Verhaltensweisen, die nicht allein den Kampf, sondern darüber hinaus auch das gesellschaftliche und kulturelle Leben bestimmen. Ein Teil dieses kulturellen Lebens, die Idealisierung heldenhaften Betragens oder die Verehrung von (gesellschaftlich hoch stehenden) Frauen, schlägt sich dabei auch in der Dichtung des hohen Mittelalters nieder. Vor diesem Hintergrund ist also nicht allein mehr der Klerus (vor allem die niedere Geistlichkeit), sondern auch und besonders der Adel als sprachprägend anzusehen.
Mit der epischen und lyrischen Dichtung des Rittertums entsteht im hohen Mittelalter neben einer überregionalen Gemeinsprache in Wirtschaft und Verwaltung eine mittelhochdeutsche Literatursprache auf oberdeutscher Dialektgrundlage. Diese zeigt erste, behutsame Ansätze zu einer Standardisierung, auch wenn das normalisierte Mittelhochdeutsch der Textausgaben des 19.Jahrhunderts eine größere Einheitlichkeit suggeriert, als die eigentlichen Quellen bekunden. Das Mittelhochdeutsche ist und bleibt neben den schriftlichen Textzeugnissen ausDichtung (und daneben auch angewandter Wissenschaft, Handwerk und Verwaltung) vor allem aber gesprochene Sprache, die durch einen großen Reichtum an Dialekten geprägt ist; die eigentliche Schriftsprache der Gebildeten ist in dieser Zeit noch immer das Lateinische. Die Zahl der deutschen Mundarten beginnt im Hochmittelalter indessen sogar zuzunehmen: Denn durch die Ostsiedlung wird nicht allein die Grenze des deutschen Sprachgebietes erheblich nach Osten verschoben, sondern es entsteht durch Mischung der Siedlerdialekte in dieser Zeit eine Reihe neuer (ostnieder- und ostmitteldeutscher) Mundarten, die zu den slawischen Sprachen der ursprünglich hier ansässigen Bevölkerung in Konkurrenz treten und diese zu verdrängen drohen.
Aufgrund der starken räumlichen und zeitlichen Unterschiede sind die Grenzen des Mittelhochdeutschen unter rein sprachlichen Gesichtspunkten nur schwer zu ziehen. Dennoch lassen sich unter systematischen Aspekten einige wichtige Charakteristika des hochmittelalterlichen Deutschen angeben (vgl. die folgende Tabelle). Einige dieser Merkmale bzw. Veränderungen gegenüber dem Althochdeutschen scheinen dabei durchaus in einem sachlichen Zusammenhang zu stehen: So kann der Rückgang von synthetischen Wortformen nicht allein mit der Zunahme an ersetzenden analytischen Umschreibungen in Verbindung gebracht werden, sondern darüber hinaus auch mit der Abschwächung von Vokalen in unbetonten Nebensilben und mit einer leichten Einschränkung der freien Konstruierbarkeit von Sätzen (insbesondere der Wort- und Satzgliedstellung): Die Nebensilbenschwächung schränkt die Unterscheidbarkeit einzelner Wortformen ein, was die Bildung von grammatischen Alternativen zu diesen Formen erforderlich macht, während die Wortfolge nun selbst im Sinne einer solchen Alternative zur Kennzeichnung grammatischer Kategorien (wie etwa Subjekt und Objekt) herangezogen wird. So offensichtlich solche Zusammenhänge erscheinen, so unklar ist allerdings auch, in welcher Abhängigkeit sie zueinander stehen, ob also lautliche Erscheinungen bzw. Veränderungen grammatische bedingen oder umgekehrt.
Mittelhochdeutsch
Sprachsystematische Merkmale (Auswahl)
Lautung
Abschwächung der Vokale in unbetonten Nebensilben
Fortsetzung von grammatischen und phonologischen Umlautentwicklungen
Verhärtung von weichen Konsonanten im Auslaut von Silben
Schreibung
Ansätze zu einer regional übergreifenden Orthographie
Form- und Wortbildung
Abbau synthetischer Wortformen und Ausbau analytischer Umschreibungen von grammatischen Kategorien
stärker ausgeprägte Wortbildung im Bereich der Komposition (bei abgeschwächter Derivation)
Satzbau
relativ große Freiheit der Wort- und Satzgliedfolge (weitgehend freie Konstruierbarkeit von Sätzen)
Wortschatz
Bereicherung (durch
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