Geschichte der deutschen Sprache
Bezeichnungsteil auf die zeitliche Stufe (
Alt
-,
Mittel
- bzw.
Neu
-) und die weiteren Teile auf den Sprachraum beziehen (
-hochdeutsch
als das Gebiet, in dem die Zweite Lautverschiebung zu beobachten ist). Der jüngere Periodisierungsvorschlag stammt aus der zweiten Jahrhunderthälfte und wurde von Wilhelm Scherer unterbreitet: Er setzt bereits in der germanischen Sprachgeschichte an und gliedert daraufhin die Geschichte des Deutschen in vier Abschnitte von jeweils etwadreihundert Jahren:
Althochdeutsche Zeit
(750–1050),
mittelhochdeutsche Zeit
(1050–1350),
Uebergangs- oder frühneuhochdeutsche Zeit
(1350–1650) und
neuhochdeutsche Zeit
(1650–…).
Im Folgenden wird (weniger aus linguistischen als vielmehr aus didaktischen Gründen) von der Vier-Gliederung nach Scherer ausgegangen. Um einige Tendenzen der Gegenwartssprache darstellen zu können, findet sich hier in Anlehnung an deren 300-Jahre-Rhythmus zum Schluss eine Zäsur um 1950 , mit der das Ende der vierten (neuhochdeutschen) und der Beginn einer fünften (gegenwartsdeutschen) Periode angenommen wird. Die Darstellung der sprachlichen Gegebenheiten in den einzelnen Perioden orientiert sich dabei im Wesentlichen an den vorangehenden Kapiteln und versucht dabei, die Entwicklungen auf den unterschiedlichen Ebenen (Laut und Schrift, Grammatik, Wortschatz, Text und Varietäten) in Verbindung miteinander zu setzen. Dabei wird jeweils an den sozial-, kultur- und mediengeschichtlichen Bedingungen der einzelnen Abschnitte angesetzt.
6.2 Althochdeutsch
Der zeitliche Rahmen des Althochdeutschen ist aus historischer Sicht nicht unumstritten. Das 8. Jahrhundert, das im Rahmen einer solchen Vier- bzw. Fünfteilung meist als dessen Beginn angesetzt wird, entspricht der Zeit der Entstehung des fränkischen Reichs unter Karl dem Großen (771/800–814). Ein deutsches Sprach-, Kultur- oder gar Nationalbewusstsein ist hier noch nicht vorhanden und entsteht erst langsam mit der Bildung des ostfränkischen Reichs unter Ludwig dem Deutschen (843–876) und dessen Einigung unter Otto I. dem Großen (936–973). Herrschaftsgeschichtlich betrachtet entspricht das Althochdeutsche also im Wesentlichen der Regentschaft der Karolinger und der Ottonen. Das Ende dieser Zeit wird dieser Periodeneinteilung zufolge um die Mitte des 11. Jahrhunderts herum angesetzt. Aus historischer Sicht handelt es sich hier also um die Zeit der Kirchenreform unter Papst Leo IX. (1049–54) und des sog. Investiturstreits zwischen Kaiser Heinrich IV.(1056–1105) und Papst Gregor VII. (1073–85), der seinen Höhepunkt um die Jahre 1076/77 erreicht.
Das gesellschaftliche Leben des frühen Mittelalters ist durch die Ständegesellschaft und das Lehnswesen geprägt: Der größte Teil der Bevölkerung gehört dem Bauernstand an und ist dabei mehr oder weniger stark von den Grund- bzw. Lehnsherren abhängig. Adel und Klerus bilden die beiden anderen Stände, die unter dem Kaiser als Oberhaupt gemeinsam die weltliche und geistliche Führung des Reiches innehaben; dabei überträgt der Kaiser der Kirche immer mehr Macht, sodass diese auch zu einem bedeutenden politischen Faktor im Reich wird. Und so sind es mindestens drei Faktoren, die (bei aller gebotenen Vorsicht) die Kirche als Träger der Sprachentwicklung im frühen Mittelalter erscheinen lassen: Zum einen bilden die Klöster (nicht zuletzt auch infolge der Kulturpolitik der Karolinger) so etwas wie die kulturellen Zentren ihrer Zeit, in denen die christliche und philosophische Literatur der Vorzeit bewahrt und gepflegt und neben dem Lateinischen auch eine religiöse Literatur mit einem entsprechenden Wortschatz (daneben auch einer Grammatik) in deutscher Sprache entwickelt wird. Zum anderen ist die Kirche auch an der Entwicklung überregionaler Schreibsprachen nicht unbeteiligt, da sie nicht zuletzt als sog. Reichskirche seit dem 10. Jahrhundert eine wesentliche Rolle bei der Verwaltung des deutschen Reiches übernimmt und dabei auf die wenigen deutschsprachigen Schriftstücke Einfluss nimmt, die neben den zahlreichen lateinischen entstehen. Zum Dritten schließlich sind es wiederum Vertreter des Klerus, die neben geistlicher Dichtung und Übersetzungen mit der Erstellung von Vocabularien und Glossen einen ersten wichtigen Beitrag zur Sprachbeschreibung im deutschsprachigen Raum leisten.
Der deutsche Sprachraum dieser Periode entspricht etwa den Grenzen des ostfränkischen Reiches, wobei die Ostgrenze noch verhältnismäßig weit im Westen
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