Geschichte der deutschen Sprache
der deutschen Sprache» ist in einer Zeit wiederholter beruflicher Veränderungen entstanden. Dabei waren mir meine Schülerinnen und Schüler am Kolleg St. Blasien stets eine wertvolle Begleitung: Ihnen sei das vorliegende Bändchen in Dankbarkeit gewidmet.
Freiburg, im Frühjahr 2009
Thorsten Roelcke
1. Woher kommt die deutsche Sprache?
1.1 Indoeuropäisch
Woher kommt eigentlich das Deutsche: Von welcher Sprache stammt es ab und mit welchen Sprachen ist es verwandt? Auf diese Fragen eine befriedigende Antwort zu finden, war und ist für viele Germanisten eine große Herausforderung. Zum einen deshalb, weil mit ihrer Beantwortung unser Platz unter den Sprachen und Völkern dieser Erde überhaupt erst deutlich wird, und zum anderen auf Grund dessen, dass hierzu kaum sprachliche Zeugnisse vorliegen, auf die man zurückgreifen könnte. Und so wird die Vorgeschichte der deutschen Sprache in zweifachem Sinne zu einem spannenden Thema, dem man sich von wissenschaftlicher Seite mit viel kriminalistischem Spürsinn gewidmet hat.
Vergleicht man beispielsweise das deutsche Wort
Vater
mit bedeutungsgleichen Ausdrücken anderer moderner Sprachen in Europa, stellt man rasch gewisse Ähnlichkeiten fest – so etwa im Falle von englisch
father
oder italienisch
padre
. Aus solchen und zahlreichen weiteren Beispielen kann man dann schließen, dass all diese Sprachen ganz offensichtlich miteinander verwandt sind und eine gemeinsame Geschichte haben. Ein Blick in die Vergangenheit bestätigt dies für das genannte Beispiel sofort: So lauten bereits die entsprechenden Bezeichnungen im Lateinischen
pater
oder im Gotischen
fadar
. Doch solche Gemeinsamkeiten, wie sie durch die sog. Allgemeine und Vergleichende Sprachwissenschaft festgestellt werden, reichen noch weit über die neueren und älteren Sprachen Europas hinaus – etwa, wenn man (um bei dem Beispiel zu bleiben) innerhalb der altindischen Sprache dem Wort
pitar
begegnet. Diese und viele weitere Befunde lassen also deutlich werden, dass zwischen zahlreichen Sprachen Europas und Asiens eine Verbindung besteht. Man nennt sie daherauch die
indogermanischen
oder besser:
indoeuropäischen
Sprachen.
Ob es nun eine indoeuropäische Ursprache gab, aus der sich dann verschiedene Sprachfamilien und Einzelsprachen entwickelt haben, ist bis heute nicht restlos geklärt. Der Sprachwissenschaft ist es zwar durchaus gelungen, aus deren lautlichen Gemeinsamkeiten und Unterschieden so etwas wie einen ursprünglichen indoeuropäischen Sprachzustand zu rekonstruieren (was hier etwa zu dem Ausdruck
päter
führt): Doch liegt angesichts moderner Erkenntnisse über die frühe Menschheitsgeschichte die Vermutung nahe, dass diese Rekonstruktion kaum eine einzelne Sprache, sondern eher einen mehr oder weniger losen Bund verschiedener Sprachen oder Mundarten widerspiegelt, die sich auf Grund kultureller und wirtschaftlicher Kontakte ihrer Sprecher wechselseitig beeinflusst haben.
Der Lebensraum dieser Menschen, die Ackerbau und Viehzucht betrieben, mögen Heide- und Savannengebiete im Südosten Europas gewesen sein: Auch dies lässt sich unter anderem anhand von sprachlichen Vergleichen vermuten. In der Folge unterschiedlicher Wanderungs- und Siedlungsbewegungen hat sich das Indoeuropäische dann von hier aus in den asiatischen wie in den europäischen Raum weiter verbreitet und dabei verschiedene Sprachfamilien ausgebildet. Der genaue Zeitpunkt dieser Verbreitung ist nur schwer auszumachen. Jedoch gibt es einige Indizien (wie zum Beispiel das Fehlen einer gemeinsamen Bezeichnung für Eisen), die darauf schließen lassen, dass die Trennung einzelner Sprachfamilien etwa auf das 3. Jahrtausend.v. Chr. zurückgehen muss.
Zu den indoeuropäischen Sprachfamilien zählen in Asien das Indische (mit der alten Religionssprache Sanskrit und dem modernen Hindi), das Iranische (Neupersisch, Kurdisch und andere) und das Armenische. In Europa unterscheiden wir folgende Familien: Griechisch, Albanisch, Romanisch (unter anderem mit Latein, Italienisch, Spanisch, Portugiesisch, Französisch und Rumänisch), Keltisch (in Irland und Schottland), Baltisch (in Litauen und Lettland), Slawisch (Russisch, Polnisch, Tschechisch, Slowakisch, Slowenisch, Serbisch und Kroatisch, Bulgarischund andere) und nicht zuletzt das Germanische (neben Deutsch mit den Einzelsprachen Englisch, Niederländisch, Norwegisch, Dänisch, Schwedisch und Isländisch). Daneben werden in Europa aber auch noch andere Sprachen gesprochen, die
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