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Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy

Titel: Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauline Réage
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dagegen nicht: ihr Geheimnis war nicht allein durch ihr Schweigen zu bewahren, hing nicht allein von ihr ab. Sie durfte sich, selbst wenn sie gewollt hätte, nicht die kleinste Schwäche erlauben - genau das war der Sinn einer der Fragen Sir Stephens - ohne sich sogleich zu erkennen zu geben, sie konnte sich nicht die unschuldigsten Vergnügungen erlauben, Tennisspielen oder Schwimmen. Sie empfand es als wohltuend, daß ihr das alles faktisch unmöglich gemacht war, so wie das Gitter des Klosters es den Nonnen faktisch unmöglich macht, sich selbst zu gehören oder zu fliehen. Aber wie konnte sie Jacqueline gewinnen, ohne ihr gleichzeitig, wenn nicht die ganze Wahrheit, so doch einen Teil der Wahrheit sagen zu müssen?
Die Sonne war weitergewandert, weg von ihrem Gesicht. Ihre Schultern klebten an der Glasur der Photos, über denen sie lag und an ihrem Knie spürte sie den rauhen Rand der Jacke Sir Stephens, der sich ihr genähert hatte. René und er nahmen sie bei den Händen und setzten sie auf. René hob ihre Pantoffel auf. Sie mußte sich anziehen. Während des Mittagessens, das sie danach in Saint-Cloud einnahmen, am Ufer der Seine, setzte Sir Stephen, der jetzt mit ihr allein war, sein Verhör fort. Am Fuß einer Ligusterhecke, die die schattige Terrasse mit den weißgedeckten Tischen säumte, lief ein Streifen dunkelroter, aufgeblühter Pfingstrosen. O brauchte lange, bis sie mit ihren nackten Schenkeln den eisernen Stuhl gewärmt hatte, auf den sie sich gehorsam mit hochgeschlagenem Rock gesetzt hatte, ohne Sir Stephens Zeichen abzuwarten. Man hörte das Wasser an die Boote klatschen, die am Ende der Terrasse an einem Brettersteg vertäut lagen. Sir Stephen saß vor O, die langsam sprach, entschlossen, nicht ein Wort zu sagen, das unwahr wäre. Sir Stephen wollte wissen, warum Jacqueline ihr gefalle. Ah! das war nicht schwierig: einfach weil O sie schön fand, zu schön, wie die lebensgroßen Puppen, die man den armen Kindern schenkt und die diese Kinder niemals anzufassen wagen. Und zugleich wußte sie, daß sie mit Jacqueline im Grund nur deshalb nicht sprach, sich ihr nur deshalb nicht näherte, weil sie nicht wirklich Lust dazu hatte. Hier hob sie die Augen, die sie bisher auf die Pfingstrosen gesenkt hatte und sah, daß Sir Stephen den Blick auf ihre Lippen geheftet hielt. Hörte er ihr zu oder achtete er nur auf ihre Stimme, auf die Bewegung ihrer Lippen? Sie schwieg abrupt und Sir Stephens Blick hob sich und begegnete dem ihren. Was sie darin las, war dieses Mal so klar und es war ihr so klar, daß sie richtig gelesen hatte, daß sie nun ihrerseits erbleichte. Wenn er sie so liebte, würde er ihr verzeihen, daß sie es bemerkt hatte? Sie konnte weder die Augen abwenden, noch lächeln oder sprechen. Wenn er sie liebte, was würde sich ändern? Nicht um ihr Leben wäre sie imstande gewesen, die geringste Bewegung zu machen, zu fliehen, ihre Knie hätten sie nicht getragen. Zweifellos wollte er nie etwas anderes von ihr als die Erfüllung seines Verlangens, solange dieses Verlangen andauerte. Doch erklärte dieses Verlangen allein schon, daß er sie, seit dem Tag, an dem René sie ihm übergeben hatte, immer häufiger rief und bei sich behielt, manchmal nur ihre Gegenwart wollte, nichts weiter? Er saß vor ihr, stumm und unbeweglich wie sie; am Nachbartisch unterhielten sich Geschäftsleute bei einem Kaffe, der so stark war, daß man ihn noch an ihrem Tisch riechen konnte; zwei Amerikanerinnen, hochmütig und gepflegt, zündeten sich schon während des Essens Zigaretten an; der Kies knirschte unter den Schritten der Kellner - einer trat an den Tisch, um Sir Stephens zu dreiviertel geleertes Glas nachzufüllen, aber wozu einer Statue, einer Schlafwandlerin, zu trinken geben? Er ging wieder weg. O spürte voll Wonne, daß der graue und brennende Blick ihre Augen nur verließ, um sich auf ihre Hände zu heften, ihre Brüste. Endlich sah sie den Schatten eines Lächelns auftauchen, und wagte, es zu erwidern. Aber auch nur ein einziges Wort zu sprechen, war ihr unmöglich. Sie atmete kaum. "O...", sagte Sir Stephen. "Ja", sagte O ganz schwach. "O, was ich Ihnen jetzt sagen will, habe ich zusammen mit René beschlossen. Dennoch möchte ich..." Er unterbrach sich. O erfuhr nie, ob er es deshalb tat, weil sie vor Erregung die Augen geschlossen hatte oder ob auch ihm das Atmen schwerfiel. Er wartete, der Kellner wechselte die Teller, brachte O die Karte, damit sie ihr Dessert wählen konnte. O gab die Karte Sir

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