Geschichte der O und Rückkehr nach Roissy
Initialen zeichnen lassen. Das übrige, das kommt von der Reitpeitsche. Gewöhnlich peitscht er mich selbst, aber manchmal läßt er mich auch von seiner schwarzen Dienerin auspeitschen." Jacqueline starrte O an, ohne ein Wort herauszubringen. O lachte, dann wollte sie Jacqueline umarmen. Jacqueline stieß sie entsetzt von sich und floh ins Schlafzimmer. O trocknete sich in aller Ruhe vollends ab, parfümierte sich, bürstete ihr Haar. Sie zog das Taillenmieder an, die Strümpfe, die Pantöffelchen und als sie nun durch die Tür trat, begegnete sie im Spiegel dem Blick Jacquelines, die sich geistesabwesend vor dem Spiegel kämmte. "Schnüre mir das Korsett, sagte sie. Du tust so überrascht. René ist in dich verliebt, hat er dir denn nichts gesagt? - Ich verstehe nicht", sagte Jacqueline. Und sie platzte sogleich mit dem heraus, was sie am meisten erstaunte: "Man könnte meinen, du wärst stolz darauf, ich verstehe das nicht. - Wenn René dich nach Roissy bringt, wirst du es verstehen. Hast du denn schon mit ihm geschlafen?" Eine Blutwelle überströmte das Gesicht Jacquelines, sie schüttelte den Kopf, aber so wenig überzeugend, daß O laut lachen mußte. "Du lügst, mein Herzchen, du bist dumm. Es ist dein gutes Recht, mit ihm zu schlafen. Und das ist kein Grund, mich zurückzuweisen. Komm mit mir ins Bett, dann werde ich dir die Geschichte von Roissy erzählen." Fürchtete Jacqueline eine stürmische Eifersuchtsszene, gab sie aus Erleichterung oder aus Neugier nach, weil sie von O Erklärungen hören wollte oder einfach weil sie die Geduld, die Bedächtigkeit, die Leidenschaft liebte, mit der O sie liebkoste? Sie gab nach. "Erzähle, sagte sie danach zu O. Ja, sagte O. Aber zuerst mußt du mir die Brüste küssen. Es ist Zeit, daß du dich daran gewöhnst, wenn du René von irgendeinem Nutzen sein willst." Jacqueline gehorchte, und so gut, daß sie O zum Stöhnen brachte. "Erzähle", sagte sie noch einmal.
Os Erzählung erschien Jacqueline trotz aller Genauigkeit und Klarheit, trotz des greifbaren Beweises, den O selbst darstellte, einfach phantastisch. "Im September gehst du wieder hin? sagte sie. - Wenn wir aus dem Süden zurückkommen, sagte O. Ich werde dich mitnehmen, oder René nimmt dich mit. - Anschauen möchte ich es mir schon einmal, sagte Jacqueline, aber nur anschauen. - Natürlich, das läßt sich machen", sagte O, die vom Gegenteil überzeugt war, sich jedoch sagte, daß Sir Stephen ihr Dank wissen würde, wenn sie, O, Jacqueline dazu bringen könnte, die Schwelle von Roissy zu überschreiten - und danach würden die Diener, die Ketten und Peitschen da sein, um Jacqueline das Gehorchen zu lehren. Sir Stephen hatte in der Nähe von Cannes eine Villa gemietet, wo sie den August verbringen sollte zusammen mit René, Jacqueline und deren kleiner Schwester, die Jacqueline gebeten hatte, mitbringen zu dürfen - nicht, weil sie die Kleine gern hatte, sondern weil ihre Mutter ihr dauernd in den Ohren lag, sie solle O um Erlaubnis bitten - und sie wußte bereits, daß ihr Schlafzimmer, wo Jacqueline wohl zumindest die Siesta mit ihr verbringen würde, wenn René nicht da war, von Sir Stephens Zimmer durch eine nur scheinbar solide Wand getrennt war, hinter deren Trompel'oeil-Dekorierung, einem durchbrochenen Lattenwerk, man nur einen Rollvorhang zu heben brauchte, um alles, was im Zimmer vorging so genau zu sehen und zu hören, als stünde man direkt vor dem Bett. Jacqueline würde Sir Stephens Blicken ausgeliefert sein, wenn O mit ihr im Bett lag, und sie würde es zu spät erfahren, um sich dagegen wehren zu können. O tat der Gedanke wohl, daß sie Jacqueline durch Verrat ausliefern würde, denn es kränkte sie, daß Jacqueline ihren Stand einer gebrandmarkten und gepeitschten Sklavin verachtete, auf den sie so stolz war.
O war noch nie im Süden gewesen. Der stetig blaue Himmel, das Meer, das sich kaum bewegte, die regungslosen Pinien unter der hohen Sonne, alles erschien ihr leblos und feindlich. "Keine richtigen Bäume", sagte sie traurig vor den duftenden Gehölzen voller Maulbeerbäumen und Zimtrosen, wo alle Steine, alle Moose, sich lauwarm anfühlten. "Das Meer riecht nicht nach Meer", sagte sie auch. Sie warf ihm vor, nichts als ein paar häßliche, vergilbte Algen an den Strand zu spülen, die wie Mist aussahen, zu blau zu sein, das Ufer stets an der gleichen Stelle zu belecken. Aber im Garten der Villa, eines umgebauten ehemaligen Gehöfts, war man weit vom Meer. Rechts und links schützten
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