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Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution

Titel: Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Leo Trotzki
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Zentral-Exekutivkomitee auffordert, die Macht in seine Hand zu nehmen, wird mit 276 Stimmen angenommen, in Abwesenheit der Opposition. Es werden auch sofort fünfzehn Mann in die Kommission gewählt; zehn Plätze hält man der Minderheit frei; sie werden unbesetzt bleiben. Die Tatsache der Wahl einer bolschewistischen Kommission bedeutete für Freund und Feind, daß die Arbeitersektion des Petrograder Sowjets von nun an die Basis des Bolschewismus geworden war. Ein großer Schritt vorwärts! Im April erstreckte sich der Einfluß der Bol-schewiki ungefähr auf ein Drittel der Petrograder Arbeiter; im Sowjet bildeten sie in jenen Tagen einen unbedeutenden Sektor. jetzt, Anfang Juli stellen die Bolschewiki der Arbeitersektion etwa zwei Drittel der Delegierten: das bedeutet, daß ihr Einfluß in den Massen entscheidend geworden ist.
    Durch die zum Taurischen Palais führenden Straßen strömen Arbeiter-, Arbeiterinnen- und Soldatenkolonnen mit Bannern, Gesang und Musik. Es zieht leichte Artillerie auf, deren Kommandeur Begeisterung auslöst durch die Mitteilung, sämtliche Batterien der Division seien mit den Arbeitern. Durchfahrt und Garten am Taurischen Palais sind vom Volke überfüllt. Alle drängen sich vor der Tribüne bei der Haupteinfahrt des Palais zusammen. Zu den Demonstranten tritt Tschcheidse heraus mit der verdrießlichen Miene eines Menschen, den man unnütz bei der Arbeit gestört hat. Der populäre Sowjetvorsitzende wird von mißgünstigem Schweigen empfangen. Mit müder und heiserer Stimme wiederholt Tschcheidse die allgemeinen Phrasen, deren alle schon überdrüssig sind. Nicht besser wird auch der ihm zu Hilfe auftauchende Wojtinsky aufgenommen. "Dagegen wurde Trotzki, der" - nach Miljukows Worten - "verkündete, nun sei der Moment gekommen, wo die Macht an die Sowjets übergehen müsse, mit stürmischem Beifall begrüßt" ... Dieser Satz ist beabsichtigt zweideutig. Keiner der Bolschewiki sagte, "der Moment ist gekommen". Ein Schlosser der kleinen Fabrik Duflon auf der Petersburger Seite erzählte später über das Meeting vor den Mauern des Taurischen Palais: "Ich erinnere mich an die Rede Trotzkis, der sagte, daß es noch nicht an der Zeit sei, die Macht zu übernehmen." Der Schlosser gibt den Sinn der Rede richtiger wieder als der Geschichtsprofessor. Aus dem Munde der bolschewistischen Redner erfuhren die Demonstranten von dem eben in der Arbeitersektion errungenen Sieg, und diese Tatsache gab ihnen eine fast greifbare Befriedigung - als Eintritt in die Epoche der Sowjetmacht.
    Die vereinigte Sitzung der Exekutivkomitees wurde kurz vor Mitternacht wieder eröffnet: um diese Zeit warfen sich die Grenadiere auf dem Newski hin. Auf Dans Antrag wird bestimmt, daß in der Versammlung nur jene bleiben dürfen, die sich im voraus verpflichten, angenommene Beschlüsse zu verteidigen und durchzuführen. Das ist ein neues Wort! Das Arbeiter- und Soldatenparlament, als welches die Menschewiki den Sowjet proklamiert hatten, versuchen sie nun in ein administratives Organ der Versöhnlermehrheit umzuwandeln. Wenn sie in der Minderheit bleiben werden - es sind nur noch zwei Monate bis dahin - werden die Versöhnler leidenschaftlich die Sowjetdemokratie verteidigen. Heute aber, wie auch sonst in allen entscheidenden Momenten des öffentlichen Lebens, wird die Demokratie zur Reserve entlassen. Einige Interrayonisten verließen unter Protest die Sitzung; Bolschewiki waren überhaupt nicht zugegen, sie berieten in der Villa Kschessinskaja, was morgen zu tun. Im weiteren Verlauf der Sitzung erscheinen die Interrayonisten und Bolschewiki im Saal mit der Erklärung, niemand könne ihnen das Mandat rauben, das ihnen die Wähler übertragen haben. Die Mehrheit schweigt sich aus, und Dans Resolution fällt unmerklich unter den Tisch. Die Sitzung schleppt sich hin wie eine Agonie. Mit welken Stimmen überzeugen die Versöhnler einander von ihrem Recht. Zeretelli als Post-und Telegraphenminister beklagt sich über die unteren Beamten: "Von dem Post- und Telegraphenstreik habe ich erst soeben erfahren ... Was die politischen Forderungen trifft, so ist ihre Parole ebenfalls: Alle Macht den Sowjets!" Delegierte der das Palais von allen Seiten umlagernden Demonstranten fordern Zutritt zur Sitzung. Man läßt sie besorgt und feindselig ein. Indes glaubten die Delegierten aufrichtig, die Versöhnler könnten diesmal nicht anders, als ihnen entgegenkommen. Enthüllten doch die durch den Austritt der Kadetten erhitzten Zeitungen

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