Geschichte der russischen Revolution Bd.2 - Oktoberrevolution
Regierung und des Exekutivkomitees. Unterzeichnet von Tschcheidse und anderen Präsidiumsmitgliedern, ergingen an die verschiedensten militärischen Stellen Aufforderungen, dem Taurischen Palais Panzerautos, Drei-Zoll-Geschütze und Geschosse zu liefern. Gleichzeitig erhielten fast sämtliche Regimenter Befehl, bewaffnete Abteilungen zur Verteidigung des Palais zu entsenden. Doch machte man dabei nicht halt. Das Büro beeilte sich noch am selben Tage, an die Front, und zwar an die der Hauptstadt nächstgelegene 5. Armee, telegraphisch Order zu geben, "nach Petrograd eine Kavalleriedivision, eine Infanteriebrigade und Panzerwagen zu schicken". Der Menschewik Wojtinski, der mit dem Schutz des Exekutivkomitees betraut war, gestand später in seinem retrospektiven Überblick: "Der ganze Tag des 3. Juli war ausgefüllt mit der Zusammenziehung von Truppen, mit der Befestigung des Taurischen Palais ... Wir hatten die Aufgabe, mindestens einige Kompanien heranzuholen ... Eine Zeitlang besaßen wir absolut keine militärischen Kräfte. An der Eingangstüre des Taurischen Palais standen sechs Mann Posten, die außerstande waren, die Menge aufzuhalten ..." Dann wieder: "Am ersten Demonstrationstag waren zu unserer Verfügung nur hundert Mann, - mehr Kräfte besaßen wir nicht. Wir entsandten Kommissare an alle Regimenter mit der Bitte, uns Soldaten für den Wachtdienst zu stellen ... Aber jedes Regiment blickte sich nach dem anderen um, - was dieses tun werde. Man mußte um jeden Preis diesem Unwesen ein Ende bereiten, und wir forderten Truppen von der Front an." Sogar vorsätzlich ließe sich schwer eine bösere Satire auf die Versöhnler ausdenken. Hunderttausende Demonstranten fordern die Übergabe der Macht an die Sowjets. Tschcheidse, der das Sowjetsystem repräsentiert, und schon allein damit Kandidat für den Premierposten, sucht Militärkräfte gegen die Demonstranten. Die grandiose Bewegung für die Macht der Demokratie wird von deren Führern erklärt als Überfall bewaffneter Banden auf die Demokratie.
Im gleichen Taurischen Palais trat nach langer Pause die Arbeitersektion des Sowjets zusammen, die während der letzten zwei Monate durch partielle Neuwahlen in den Betrieben ihre Zusammensetzung derart hatte verändern können, daß das Exekutivkomitee nicht ohne Grund dort eine Übermacht der Bolschewiki befürchtete. Die künstlich hinausgeschobene Sitzung der Sektion, die schließlich einige Tage vorher von den Versöhnlern selbst anberaumt worden war, fiel zufälligerweise mit der bewaffneten Demonstration zusammen: die Zeitungen erblickten auch darin die Hand der Bolschewiki. Sinowjew entwickelte in seinem Referat vor der Sektion triftig den Gedanken, daß die Versöhnler, Verbündete der Bourgeoisie, gegen die Konterrevolution weder kämpfen wollten noch könnten, denn unter diesem Namen verstünden sie nur vereinzelte Äußerungen des Schwarzhundert-Hooliganentums, nicht aber den politischen Zusammenschluß der besitzenden Klassen mit dem Ziele, die Sowjets, als Widerstandszentren der Werktätigen, zu zermalmen. Das Referat traf den Kern. Die Menschewiki, die sich zum erstenmal auf sowjetistischem Boden in der Minderheit fühlten, schlagen vor, keine Beschlüsse zu fassen, sondern zum Schutze der Ordnung in die Bezirke auseinanderzugehen. Aber schon ist's zu spät! Die Kunde davon, daß vor dem Taurischen Palais bewaffnete Arbeiter und Maschinengewehrschützen aufmarschiert seien, ruft im Saal größte Erregung hervor. Die Tribüne besteigt Kamenjew. "Wir haben zur Demonstration nicht aufgerufen", sagt er, "sondern die Volksmassen sind von selbst auf die Straße gegangen ... Wenn aber die Massen hinausgegangen sind, ist unser Platz unter ihnen ... Unsere Aufgabe ist jetzt, der Bewegung einen organisierten Charakter zu verleihen." Kamenjew schließt mit dem Vorschlag, eine Kommission von fünfundzwanzig Mann zur Leitung der Bewegung zu wählen. Trotzki unterstützt diesen Vorschlag. Tschcheidse fürchtet die bolschewistische Kommission und dringt vergeblich darauf, die Frage an das Exekutivkomitee zu verweisen. Die Debatte nimmt stürmischen Charakter an. Sobald sie sich endgültig überzeugt haben, zusammen nicht mehr als ein Drittel der Versammlung zu bilden, verlassen Menschewiki und Sozialrevolutionäre den Saal. Das wird nun überhaupt die beliebte Taktik der Demokraten: sie beginnen die Sowjets in dem Augenblick zu boykottieren, wo sie in ihnen die Mehrheit verlieren. Eine Resolution, die das
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