Geschichte des Gens
Rekombination ist vermutlich der Schlüssel zum Geheimnis des Lebens. Sie ist der Grund für all unsere Flexibilität, und die Bakterien und ihre Viren wurden für weitere Kreise erst interessant, als man nachweisen konnte, dass sie die Fähigkeit besitzen, ihre genetischen Moleküle zu rekombinieren. Während man sich leicht vorstellen konnte, wie dieser Vorgang bei den Phagen funktioniert -man sorgt dafür, dass ein Bakterium von zwei Phagen gleichzeitig infiziert wird (Mischinfektion), und wartet darauf, dass sich die beiden DNA-Stränge im Inneren der Bakterien treffen und austauschen -, hatte man lange keine Ahnung, wie Bakterien dies zustande bringen. Wie kommen die Gene eines Bakteriums mit den Genen eines anderen Bakteriums in Berührung, wenn sich diese Einzeller nur durch Teilung vermehren?
Tun sie gar nicht, lautet die Antwort. Wenn man (sehr) genau (und geduldig) hinsieht, stellt man fest, dass einige Bakterien die Nähe eines Partners spüren, kleine Fühler zu ihm ausstrecken, die innen hohl sind und durch die DNA-Moleküle geleitet und dann übertragen werden können. Die ersten Wissenschaftler, die dies entdeckt haben, kamen aus Frankreich. Sie liebten es, den Bakterien beim Genaustausch zuzuschauen, und sie dachten sich ein Experiment aus, wie sie die Länge der DNA-Übergabe (»Koitus«) kontrollieren konnten. Bei dem dazugehörigen »Koitusinterruptus-Experiment« sollte gezeigt werden, dass die DNA wie ein Faden im Verlauf der Zeit vom Donor in den Rezeptor gelangt. Je später die Unterbrechung kommt, so die Überlegung, desto mehr Gene können während des Kontakts übertragen worden sein. Genau so ist es.
MUTATION
Unter einer Mutation verstand man ursprünglich eine sprunghafte Veränderung im Erscheinungsbild eines Organismus, etwa seiner Farbe oder seiner Größe, wenn diese Änderung vererbbar ist. Bald meinte der Begriff die erbliche Variation eines Chromosoms, und heute erfasst Mutation alle Möglichkeiten, mit denen die DNA einer Zelle variiert werden kann. Die DNA besteht als Doppelhelix aus einer Folge von Basenpaaren, wobei deren Reihenfolge als genetische Information funktioniert. Änderungen in der DNA-Sequenz -etwa die Änderung eines Buchstabens an einer Stelle, das Auslassen von Buchstaben, die Wiederholung von Sequenzen und so weiter -führen zu Mutationen. Nicht alle Mutationen müssen Auswirkungen im Erscheinungsbild einer Zelle oder eines Organismus nach sich ziehen. Dies hängt zum Beispiel mit der Redundanz des genetischen Codes zusammen, bei dem mehrere Tripletts eine Aminosäure kodieren können. Von Mutationen nimmt man an, dass sie entweder spontan oder durch äußere Einwirkungen wie UV-Licht oder Röntgenstrahlen zustande kommen. Spontan meint so viel wie zufällig, und es leuchtet ein, dass bei der Herstellung von Milliarden Bausteinen von DNA nicht alles perfekt verläuft, sondern sich Fehler einschleichen können. Gene sind auch nicht besser als Menschen. Die Fehler haben ja sogar ihre Funktion, denn wenn alles perfekt zuginge im zellulären Leben, könnte es keine Entwicklung der Art geben, wie sie in der Evolution sichtbar wird. Seit einigen Jahren besteht daher der Verdacht, dass Mutationen gar nicht so zufällig zustande kommen, wie es bislang scheint. Vielmehr könnte es sein, dass die Zelle über Mechanismen verfügt, die die genetischen Moleküle genügend instabil machen, um ausreichend Variationen von ihnen einführen und testen zu können. Es könnte sein, dass ein genaues Verstehen des Auftretens von Mutationen, die über eine Beschreibung ihrer molekularen Details hinausgeht, erst gelingt, wenn man versteht, wie das Innen einer Zelle (mit der DNA) und ihr Außen (also die Umwelt) auf eine Weise zusammenwirken, die man ganzheitlich nennen könnte und die einen gerichteten Prozess ergeben würde.
HOMEO-BOX
Die Geschichte der Homeo-Box wird von einem ihrer Entdecker selbst erzählt, und zwar von Walter Gehring, der immer schon verstehen wollte, Wie die Gene die Entwicklung steuern - so der Titel seines Buches. Um dies zu verstehen, muss man mindestens die beiden Aktivitäten von Genen unterscheiden, die durch die Bezeichnungen Strukturgen und Regulatorgen ausgedrückt werden. Auf solch eine differentielle Genaktivität hat übrigens - wer sonst - zum ersten Mal T. H. Morgan hingewiesen, als er 1934 schrieb: »Bei der Interpretation der genetischen Experimente wird meist implizit angenommen, daß alle Gene über die ganze Zeit und auf die gleiche Weise
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