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Geschichte des Gens

Geschichte des Gens

Titel: Geschichte des Gens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ernst Peter Fischer
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von ihr mitgebrachte Aminosäure abgelöst und mit den anderen Proteinbausteinen verbunden, die mit anderen tRNA-Molekülen herbeigeschafft worden sind. Nach und nach entsteht eine Kette aus Aminosäuren, die sich zuletzt selbständig macht und ihre dreidimensionale Konfiguration ohne genetische Hilfe einnimmt. Wirklich ohne? Inzwischen kennt man Proteine, die bei der Strukturbildung (»Auffaltung«) anwesend sein müssen, damit alles ordentlich zugeht. Sie heißen nach dem französischen Ausdruck für Anstandsdame Chaperone.
    Wenn das bisher Gesagte schon schwierig war, so wird das genetische Geschehen noch komplizierter, wenn es um eukaryontische Zellen geht. Hier gibt es die Mosaikgene, was konkret bedeutet, dass dem Primärtranskript, das nach wie vor angefertigt wird, die Sequenzen entnommen werden müssen, die als Introns stumm bleiben sollen. Die Herstellung der mRNA wird als Spleißen bezeichnet. Erst nach der Reifung der RNA, wie es manchmal auch heißt, geht es zu den Ribosomen, die in eukaryontischen Zellen etwas größer sind als in Bakterien, aber im Prinzip ähnlich funktionieren.
    Unabhängig von allen ungeklärten Details - die Behauptung, dass Gene Proteine machen, wirkt eher komisch angesichts der genannten Mechanismen. So einfach ist den Genen nicht beizukommen.
CODE
    Der genetische Code kann als eine Tabelle dargestellt werden, in der ablesbar ist, wie die Reihenfolge von DNA-Bausteinen eines Gens in die Reihenfolge von Aminosäuren einer Polypeptidkette überführt wird, die selbst Teil eines Proteins ist. Der genetische Code ist nahezu universell (mit einer bekannten Ausnahme in Genen, die in Mitochondrien sitzen) und vor allem dadurch charakterisiert, dass drei Basen - ein Triplett - für eine Aminosäure stehen. Bei vier Basen in der DNA kann die Natur insgesamt 43 Tripletts bilden, also 64 Stück, was die Zahl der Aminosäuren (zwanzig) deutlich überschreitet und erkennen lässt, dass der Code redundant ist, selbst wenn noch die Tripletts abgezogen werden, die besondere Signale geben. So gibt es ein Basentrio, das anzeigt, wo die Überschreibung der genetischen Information in der DNA zu beginnen hat: das so genannte Start-Codon. Und es gibt drei Basentrios, die anzeigen, wo die Instruktionen enden und die Überschreibung aufzuhören hat: die so genannten Stopp-Codons. Die sechzig verbleibenden Tripletts legen die zwanzig Aminosäuren und ihre Reihenfolge in einem Protein fest, was zu der spannenden Frage führt, was der genetische Code in Wirklichkeit ist. Eine Tabelle? Eine Summe von Korrelationen? Oder ein Naturgesetz? In diesem historischen Abriss geht es weniger um dieses eher philosophische Thema als um die Frage, wie der Code entdeckt und entschlüsselt worden ist. Die Idee von kodierten Informationen lag nach dem Zweiten Weltkrieg in der wissenschaftlichen Luft, als eine neue Disziplin namens Kybernetik gegründet (1947) und eine Informationstheorie für die Übertragung von Nachrichten vorgelegt wurde (1948). Kurz nach der Entdeckung der Doppelhelix wurden erste Vorschläge unterbreitet, wie die Relation zwischen DNA und Protein aussehen könnte. Zunächst war nur klar, dass nicht eine Base für eine Aminosäure stehen konnte und auch zwei Basen nicht ausreichten, mit denen höchstens 16 Kombinationen möglich waren. Lange weiß man auch nicht, ob der genetische Code nur Wörter oder
    -wie unsere Schrift - auch Kommas und Punkte zu liefern hat. Und ebenso unklar ist, ob die genetische Information wie ein Text ohne jede Überlappung geschrieben ist oder ob schon mitten in einem Wort ein zweites oder drittes anfangen kann.
    Nach vielen falschen Anfängen steht seit 1956 fest, dass der genetische Code mit Tripletts agiert, dass er kommafrei ist und dass es -im Rahmen eines einzelnen Gens - keine Überlappungen gibt. Das Interesse konzentriert sich nun auf die konkrete Zuweisung eines Tripletts zu einer Aminosäure, was damals deshalb ungeheuer schwierig war, weil man weder eine einzige DNA-Sequenz kannte noch einen Weg wusste, um sie zu bestimmen. Die Forschung musste noch zwei Jahrzehnte warten, bis dies möglich wurde. Bis dahin gab es für die wissenschaftliche Neugier nur die Sequenzen von Aminosäuren in Proteinen.
    Der entscheidende Durchbruch zur Offenlegung des genetischen Codes kam im Mai 1961. Da trotz der Kenntnis vieler Einzelheiten noch immer umstritten ist, wer was richtig gemacht und gedacht und wer was nur zufällig beobachtet oder später übernommen hat, wird hier

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