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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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die Flurbereinigung durch Zusammenfassung von Kleinbesitz wurden oft mit Hilfe parlamentarischer Entscheidungen durchgesetzt, die, beeinflusst durch aristokratisch-großbürgerliche Machteliten, hier nicht dem Bauernschutz dienten, sondern die Herausbildung eines großbetrieblichen Agrarkapitalismus begünstigten – mit der Folge massiver Ausdehnung von Lohnarbeit und «Freisetzung» von Arbeitskräften, die in die Städte abwanderten und dort der späteren Industrialisierung zur Verfügung standen.Zwischen dem 16. und dem 18. Jahrhundert hat sich der großbetriebliche Agrarkapitalismus auf der Basis von Eigentumskonzentration, Verpachtung und freier Lohnarbeit in England voll ausgebildet. Diese Umstrukturierung hat die soziale Ungleichheit auf dem Lande deutlich verschärft. Zugleich war sie mit grundlegenden Verbesserungen der Bewirtschaftungsmethoden verbunden. Der auch mit rascher Bevölkerungsvermehrung zusammenhängende säkulare Anstieg der Preise für landwirtschaftliche Produkte reizte Landeigentümer wie Pächter zu Investitionen an, auch zu Rodungen und Zukäufen, zu Entwässerungsmaßnahmen und zum Wegebau. Die Weidewirtschaft gewann an Bedeutung und mit ihr die systematische Tierzucht. Die Fruchtwechselwirtschaft setzte sich vollends durch. Statt traditioneller bäuerlicher Selbstgenügsamkeit regierten nun Gewinnorientierung und Erneuerungsstreben von Grundbesitzern und Pächtern, während viele Lohnarbeiter bereit waren, für höhere Löhne mehr Leistungen zu erbringen. Man hat von einer «Agrarrevolution» gesprochen. Trotz gestiegener Binnennachfrage avancierte England um 1650 zum Agrarexportland. Es ist bemerkenswert, «dass die Produktivität der englischen Landwirtschaft noch Mitte des 19. Jahrhunderts, als die anderen europäischen Staaten nachzuziehen begonnen hatten, um die Hälfte höher lag als in Frankreich und um das Doppelte höher als in Deutschland, Schweden und dem europäischen Teil von Russland. Gemessen in Kalorien pro Arbeiter war die Produktivität doppelt so hoch wie in Frankreich und dreimal so hoch wie in den anderen drei Regionen.»[ 48 ]
    Auch das Gewerbe war in Europa traditionell kapitalismusfern organisiert, teilweise im Rahmen der Hauswirtschaft für den eigenen Verbrauch (z.B. die Herstellung von Tuchen und Kleidung), teilweise als Nebengewerbe neben der landwirtschaftlichen Haupttätigkeit (so lange in Nord-, Ost- und Südosteuropa), teilweise als bezahlte Dienstleistung bisweilen im Haus der Kundschaft (Lohnwerk, Tagelöhner), vor allem aber als selbständig betriebenes
Handwerk.
Im Handwerksbetrieb wurden Waren für den Verkauf produziert, aber im Prinzip entweder auf Bestellung des Kunden oder auf Vorrat, um sie aufMärkten der unmittelbaren Umgebung oder auch im eigenen Kramladen zu vertreiben, nicht aber für die Zirkulation auf unpersönlichen, durch Kaufleute vermittelten Märkten. Das Handwerk fußte auf der Vereinigung von Arbeit und Besitz, d.h. der Eigentümer arbeitete selbst mit seinen Händen, gegebenenfalls von wenigen Helfern (Gesellen und Lehrlingen) unterstützt, nicht aber als Unternehmer und Arbeitgeber einer größeren Zahl von Arbeitnehmern. Herkömmlicherweise war das Handwerk korporativ-zünftig reguliert, d.h. der Handwerker hatte der für seinen Beruf zuständigen Zunft anzugehören und deren kollektiv festgesetzte Regeln zu befolgen. Die Regeln fußten auf dem Grundsatz der brüderlichen Gleichheit und dem Bewusstsein eines kollektiven Monopols, nicht aber auf dem Prinzip der Konkurrenz; sie zielten auf Gewährleistung einer auskömmlichen, standesgemäßen Nahrung für jeden Zunftgenossen, nicht aber auf maximalen Gewinn; sie sollten dafür sorgen, «dass der Reiche den Armen nicht verderbe»; sie normierten die erlaubten Arbeitspraktiken im Einzelnen und setzten Obergrenzen des Umfangs, den ein Handwerksbetrieb der jeweiligen Sparte erreichen durfte; damit erschwerten sie Innovation und standen der Akkumulation im Weg. Auch wo organisierte Zünfte mit solchen Regeln fehlten, waren Vorstellungen von auskömmlicher Nahrung, gerechtem Verdienst und moralischer Ökonomie im mittelalterlichen und frühneuzeitlichen Gewerbe – und damit in der Kultur der kleinen Leute – weit verbreitet.
    Es gab zwar seit langem Gewerbe außerhalb des Handwerks, z.B. im früh großbetrieblichen

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