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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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und Plantagenbetreiber eingetauscht wurde. Auf der Plantage war das Verhältnis zwischen Sklavenhalter und Sklave aber nicht eines des Tauschens von Arbeitskraft gegen Lohn zwischen formal gleichberechtigten Marktteilnehmern, sondern ein Verhältnis extremer Ungleichheit zwischen Eigentümer und Eigentum. Der Kapitalismus ist offenbar – zumindest auf Zeit und unter bestimmten Bedingungen – mit unterschiedlichen Arbeitsverfassungen vereinbar. Dies gilt bis heute. Zu diesen Bedingungen gehörten im Fall der frühneuzeitlichkolonialenPlantagenwirtschaft die Konzentration des Betriebs auf relativ homogene, viel ungelernte Arbeit erfordernde Stapelgüter, ein noch wenig entwickelter Arbeitsmarkt wie auch sehr ausgeprägte kulturelle und rassistisch aufladbare Unterschiede zwischen den Kapitalisten und Unternehmern einerseits, den Arbeitskräften andererseits.
    Die Effizienz der Sklavenwirtschaft blieb begrenzt. Während die Eigentümer möglichst viel Arbeitsleistung bekommen wollten, hielten die Sklaven ihre Leistung aufgrund fehlender Motivation und latenter Resistenz oft bewusst niedrig. «Bisweilen wurde Widerstand manifest in Widersetzlichkeit, Sabotage, Mordanschlägen und Aufständen, was angesichts der afrikanischen Mehrheit von der weißen Minderheit mit demonstrativer Grausamkeit geahndet wurde» (Reinhard). Es ist wenig wahrscheinlich, dass differenzierte Landwirtschaft, qualifiziertes Gewerbe und später die Industrialisierung auf der Grundlage von Sklavenarbeit auf Dauer möglich gewesen wären. Aber die Plantagensklaverei blieb in Brasilien (Kaffee), Kuba (Zucker) und den Südstaaten der USA (Baumwolle) sowie an vielen anderen Plätzen auch noch im 19. Jahrhundert hoch rentabel. Die Beschäftigung von Sklaven wurde nicht, wie immer wieder behauptet worden ist, aufgrund ihrer ökonomischen Unterlegenheit abgeschafft, sondern zwischen 1833 (Großbritannien) und 1888 (Brasilien) auf politischen Druck hin verboten, als Ergebnis religiös-humanitären Engagements und daraus gespeister Reformbewegungen.
    Zum anderen: Sklaverei hat eine lange Tradition in vielen Weltgegenden. Im 18. Jahrhundert gab es in Afrika selbst so viele Sklaven wie in Amerika. Aber unter dem Einfluss des Kapitalismus nahm die Sklaverei nicht nur im Umfang ungemein zu, sondern in Verbindung mit der harten, zu diesem Wirtschaftssystem typisch hinzugehörenden Arbeitsdisziplin konnte sie besondere Brutalität annehmen. Man kann nicht sagen, dass sich der Kapitalismus ohne seine Jahrhunderte währende Verbindung mit der Sklaverei nicht weiter entwickelt hätte. Noch ist die These zu halten, dass die Industrialisierung seit dem späten Jahrhundert aus den riesigen Gewinnen des Sklavenhandels gespeistworden ist, so unbestreitbar die Multiplikatoreffekte sind, die von ihm auf den sonstigen Handel, das Textilgewerbe, den Schiffbau und andere Wirtschaftszweige in den westeuropäischen Ländern ausgingen. Aber wenn man verstehen will, was es heißt, dass der Kapitalismus blutig und schmutzig zur Welt gekommen ist, ist es notwendig, seine Beziehung zur Sklaverei und zu anderen Formen der unfreien Arbeit im Blick zu behalten. Dieses Stück seiner Geschichte zeigt überdies, dass der Kapitalismus aus sich heraus wenig Widerstand gegen inhumane Verwendung enthält, aber unter rechtlich-politischer Beschränkung und Steuerung dazu fähig ist.[ 44 ]
4. Agrarkapitalismus, Bergbau und Protoindustrialisierung
    Es wäre absolut falsch, sich die mittelalterliche und frühneuzeitliche Landwirtschaft in Europa als in sich selbst ruhendes und stagnierendes System vorzustellen. Vielmehr gab es seit dem hochmittelalterlichen Ausbau der Städte Arbeitsteilung und damit auch Handel zwischen Land und Stadt, wenngleich meist kleinräumig und elementar. Die Landwirtschaft erlebte über die Jahrhunderte hinweg tiefe Krisen und ausgeprägte Boomphasen, die Nahrungsmittelpreise differierten regional und schwankten im Zeitverlauf, die Lebenschancen der landwirtschaftlichen Produzenten differierten und schwankten mit ihnen. Es gab ausgeprägte Ungleichheit zwischen den Regionen, zwischen großen und kleinen Gütern und Höfen, zwischen Herrschaften, freien Bauern und einer in vielen Gebieten die Mehrheit der landwirtschaftlich tätigen Bevölkerung ausmachenden, zumeist ungemein abhängigen und gefährdeten Unterschicht der Landarmen und Landlosen. Damit

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