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Geschichte des Kapitalismus

Geschichte des Kapitalismus

Titel: Geschichte des Kapitalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.H.Beck
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Dominanz besitzen. Damit ist nicht nur die Dominanz als Regelungsmechanismus innerhalb der Wirtschaft gemeint (diese auch), sondern auch die Tendenz kapitalistischer Prinzipien, über die Wirtschaft hinaus in andere gesellschaftliche Bereiche auszugreifen und diese mehr oder weniger zu prägen, so sehr andererseits die Verankerung des Kapitalismus in nicht-kapitalistischen Verhältnissen historisch die Regel gewesen ist. Der systemisch-ausgreifende Charakter des Kapitalismus über den wirtschaftlichen Bereich hinaus kann sich in sehr unterschiedlichen Graden und Formen äußern. Kapitalismus ist in unterschiedlichen Gesellschaften, Kulturen und Staatsgebilden möglich. Auch stößt sein Ausgreifen durchaus auf Grenzen, die historisch variabel und gesellschaftlich wie politisch beeinflussbar sind.
    Eine solche Arbeitsdefinition umreißt «Kapitalismus» als einen Idealtypus, ein Modell, das man verwendet, obwohl man weiß, dass die historische Realität damit nie vollkommen identisch ist, sondern ihm vielmehr auf verschiedene, sich wandelnde Weise und in unterschiedlichen, sich wandelnden Maßen entspricht. So wird es möglich, den Begriff auch auf weit zurückliegende Epochen anzuwenden, in denen der Begriff noch nicht in Gebrauch war und das, was er meint, nur in schmalen Ansätzen, wenig ausgeprägten Spurenelementen oder nur auf kleinen kapitalistischen Inseln im Meer nicht-kapitalistischer Verhältnisse existierte. Als Idealtypus könnte der Begriff auch zur Erschließung von Wirklichkeiten angewandt werden, die in
abnehmendem Maße
kapitalistisch strukturiert sind. Vielleicht gibt es die ja in Zukunft.
    Die folgende Darstellung kann unmöglich auf flächendeckende Behandlung aller Länder und Regionen zielen, in denen Kapitalismus stattgefunden hat. Vielmehr begreift sie Kapitalismus als ein weltweites Phänomen, dessen wichtigste Phasen und Variationen, Triebkräfte, Probleme und Folgen sie in chronologischer Abfolge entwickelt und an unterschiedlichen Ländern bzw. Regionen exemplifiziert. Dazu werden die für die jeweilige Phase und Variante maßgebenden Leitregionen ausgesucht. Für die frühen Jahrhunderte des Kaufmannskapitalismus blicke ichauf China, Arabien und Teile Europas. In der Durchbruchsphase von ca. 1500 bis ca. 1800, in der der «moderne Kapitalismus» im Sinne Webers entstand, rückt Westeuropa ins Zentrum der Darstellung, jedoch in seinen globalen Verflechtungen. Im 19. und 20. Jahrhundert nehmen der Industriekapitalismus und zuletzt der Aufstieg des Finanzkapitalismus die Aufmerksamkeit in Anspruch, das wird primär an europäischen, nordamerikanischen und einigen japanischen Beispielen gezeigt. Die beschleunigte Globalisierung des Kapitalismus in der zweiten Hälfte des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts drängt zum Blick über den Westen hinaus, vor allem auf ostasiatische Erfahrungen. Insgesamt nehmen Entwicklungen in Europa, dann auch in Nordamerika, den meisten Raum ein. Das rechtfertigt sich aus dem Gegenstand: in langen Phasen seiner Geschichte
war
der Kapitalismus ein westliches Phänomen, wenngleich er sich ohne seine globalen Verflechtungen nicht oder ganz anders entwickelt hätte. Aber zweifellos spielen auch die Präferenzen des Verfassers eine Rolle, der in der Geschichte Europas besser zuhause ist als in der anderer Erdteile. Deren genauere und umfassendere Einbeziehung müsste das Ziel einer ausführlicheren Darstellung sein.

II. Kaufmannskapitalismus
1. Frühe Ansätze
    In der wissenschaftlichen Literatur finden sich unterschiedliche Antworten auf die Frage, wann der Kapitalismus begann. Die Stimmenvielfalt resultiert aus der Verwendung unterschiedlicher Kapitalismusbegriffe wie auch aus der Tatsache, dass eindeutige Zäsuren in der sozialen und wirtschaftlichen Realität selten vorkommen.[ 19 ] Frühe Ansätze finden sich am ehesten im Fernhandel, der im Zweistromland wie im östlichen Mittelmeer, auf der Seidenstraße wie auf der großen Ost-West-Handelsroute durch den Indischen Ozean vorwiegend in den Händen vonselbständigen Kaufleuten lag, die auf ihre eigene Rechnung arbeiteten, wenn auch meist in enger Abstimmung mit Trägern politischer Macht, oft übrigens in enger Gemeinschaft mit anderen Kaufleuten, typischerweise auf der Basis ethnischer, landsmännischer und religiöser Gemeinsamkeiten, grenzüberschreitend, vernetzt. Es fehlte

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