Geschichte des Kapitalismus
die traditionelle Subsistenzwirtschaft in eine auf überregionalen Export setzende Ãkonomie, die Luxusgüter ebenso produzierte wie unterschiedliche gewerbliche Gebrauchswaren aus Stein, Porzellan und Metall. Dafür importierte man Nahrungsmittel, vor allem Reis, aus anderen Provinzen. Insgesamt dehnte sich die gewerbliche Produktion in China aus, zum Teil in von Beamten oder Kaufleuten betriebenen Werkstätten, die Lohnarbeiter kontinuierlich beschäftigten. Das Land exportierte vor allem bearbeitete Produkte (Porzellan, Papier, Seide, Kunstgegenstände, Metallwaren), aber auch Tee und Metalle wie Zinn und Blei. Es importierte Pferde, Gewürze, Medizin, Edelsteine und andere Luxusgüter, aber auch Baumwollstoffe. Teilweise unterstanden die wirtschaftlichen Tätigkeiten dem Zentralstaat, der sich auch um den Bau von StraÃen und Kanälen kümmerte, zeitweise Monopolrechte im Bezug auf Salz, Tee und Weihrauch wahrnahm, die Währung kontrollierte und sich bemühte, die von Kaufmann-Bankiers seit dem 9. Jahrhundert entwickelten, noch sehr elementaren Wechselgeschäfte zu kontrollieren, die zur Zirkulation von Noten geführt hatten und eine Art von de facto Geld darstellten. Im Prinzip aber wurde der wirtschaftliche Aufschwung von gewinnorientierten privaten Kaufleuten getragen, deren Investitionen zwar staatlich begrenzt, aber erheblich waren und deren sozialer Status in jener Zeit stieg. Man hat von einer chinesischen «kommerziellen Revolution» des 11. und 12. Jahrhunderts gesprochen. Auch bahnbrechende technologische Innovationen gelangen: SchieÃpulver, Kompass und Druckerpresse. Der Aufschwung geschah faktisch in einem gemischt-wirtschaftlichen System.
Vieles davon wurde fortgesetzt, als China zunächst von den einfallenden Mongolen (1279â1368) und dann von der Ming-Dynastie (1368â1644) regiert wurde. Aber China hat die auÃerordentliche Dynamik, die es unter der Sung-Dynastie zustandebrachte, in den folgenden Jahrhunderten nicht fortgesetzt. Am deutlichsten wurde dies, als die chinesische Politik sich nach den spektakulären See-Expeditionen des Admirals Zheng-He, die ihn im diplomatischen Auftrag des Kaisers mit groÃer Besetzung erfolgreich an entfernte Küsten Asiens und Afrikas geführt hatten, in den 1430er Jahren entschied, sich vom Seehandel abzukehren, die Flotte verfallen zu lassen, den eigenen Kaufleuten die Auslandsreisen zu erschweren und sich vor allem nach innen zu wenden. Diese viel diskutierte, langfristig wirksame Kursänderung hing sicherlich mit der viel Kraft erfordernden Aufgabe zusammen, das Reich im Norden gegen die Mongolen und andere mögliche Angreifer zu schützen. Sie resultierte aus einer internen Machtverschiebung, durch die sich in dem spannungsreichen Mit- und Gegeneinander von Staatsmacht und Marktwirtschaft, von Kaufleuten als Junior- und Beamten als Seniorpartnern eine konservativere Fraktion aus Grundbesitzern und konfuzianischen Beamten durchsetzte. Das immer vorhandene Misstrauen gegen Kommerz und Kapitalakkumulation gewann die Oberhand. Die politisch kontrollierte und eingebettete chinesische Form des Kaufmannskapitalismus erwies sich gegenüber der politischen Umsteuerung durch einen mächtigen Zentralstaat als wenig widerständig und nicht als robust.[ 22 ]
Ein zweiter Hauptraum des mittelalterlichen Kaufmannskapitalismus befand sich im arabischen GroÃreich, das unter den Omajjaden und Abbasiden vom späten 7. bis zur Mitte des 13. Jahrhunderts bestand, das westliche Asien, Nord-Afrika und die Iberische Halbinsel umfasste und den Islam als Weltreligion etablierte. Schon in der Entstehung des Islam Anfang des 7. Jahrhunderts fehlte es nicht an kaufmannskapitalistischen Elementen. Mekka und Medina waren damals lebhafte, an bedeutenden Karawanenrouten gelegene Kaufmannsstädte. Mohammed selbst stammte aus städtisch-kaufmännischem Milieu. Die Verbreitung des Islams Hand in Hand mit dem Aufbau eines arabisch dominierten, moslemisch geprägten Staates, bald eines Reichs, geschah ungemein rasch, aber nicht primär mit den Mitteln der Kaufleute und den Expansionskräften des Marktes, vielmehr durch Gewalt, Krieg und Eroberung â mit derenormen Schubkraft einer neu gestifteten, universelle Ansprüche verfolgenden, missionarischen Religion und mit hoch effizienten Söldnerheeren, die sich nach dem Niedergang des Römischen Reichs und der mittelöstlichen Reiche
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