Geschichte des Kapitalismus
nicht an Gewinnstreben, Wagemut, Dynamik und der Bereitschaft, mit ausgeprägter Unsicherheit und Konkurrenz umzugehen.
Erste Verdichtungen beobachtet man in den sich zeitweise herausbildenden GroÃreichen, die erheblichen Geldbedarf für ihre kriegerischen Unternehmungen entwickelten und besonders deshalb die Entwicklung von Märkten begünstigten, die Monetarisierung vorantrieben und die Wirtschaftsleistung zu kräftigen versuchten, auch durch den Ausbau von Verkehrswegen, den Betrieb von Bergwerken (Edelmetall!) und die Sicherung eines Minimums an Ordnung. Markt- und Staatsbildung hingen sehr früh zusammen.[ 20 ] Beispielsweise bemühte sich der Beamtenstaat der chinesischen Han-Dynastie (206 v. Chr. â 220 n. Chr.) um die Vereinheitlichung der Währung, die Ausdehnung der Marktbeziehungen und die Förderung des lebhaften von selbständigen Kaufleuten betriebenen Fernhandels. Gleichzeitig griff er direkt in Gewerbe und Handel ein. â In der römischen Kaiserzeit (1. Jh. v. Chr. â 5. Jh. n. Chr.) erreichten die Monetarisierung der Wirtschaft und die Kommerzialisierung des Alltags in den groÃen Städten einen hohen Stand, der Fernhandel mit Nahrungsmitteln und Luxuswaren florierte, die groÃen Latifundien produzierten mit Gewinn für den Markt, und wirtschaftliche Transaktionen wie der Verkauf oder die Verpachtung von Land geschahen auf vertraglicher Grundlage und mit Hilfe präziser Berechnungen. Auch fehlte es nicht an mehr oder weniger freien Lohnarbeitern. Doch Subsistenzwirtschaft wog insgesamt vor, Sklavenarbeit war weit verbreitet, das «ausgeprägte Streben nach Erlangung von Reichtum wurde nicht in das Bestreben übersetzt, Kapital zu schaffen» (Finley). Die Orientierung an sicheren Renten war verbreiteter als das Streben nach Profit. Produktivitätszuwachs und gesamtwirtschaftliches Wachstum hielten sich in engen Grenzen, die Orientierung an Krieg undBeute blieb wichtiger als die Orientierung am langfristigen Markterfolg. Man zögert deshalb, von der Wirtschaft der griechisch-römischen Antike als einer kapitalistischen zu sprechen.[ 21 ]
2. China und Arabien
Um zu prüfen, was es mit dem Kapitalismus oder Ansätzen dazu in den Jahrhunderten auf sich hatte, die in der europäischen Geschichte als «Mittelalter» zusammengefasst werden, soll der Blick auf drei Regionen gerichtet werden, von denen bekannt ist, dass sie in diesem Zeitraum Schauplätze einschlägiger Entwicklungen waren: China, der zunehmend arabisch bestimmte Indische Ozean und das westliche Europa.
Das in China während der Han-Dynastie entstandene Grundmuster wirkte in den folgenden Jahrhunderten weiter. Es erlaubte den Ausbau der internationalen Handelsbeziehungen und den immer lebhafteren Austausch mit dem Westen, d.h. vor allem mit Indien und der arabischen Welt. Zum Konfuzianismus der die politische Macht ausübenden Beamten gehörten die Ablehnung von ausgeprägter Ungleichheit und damit auch groÃer unabhängiger Reichtümer, die Förderung der Landwirtschaft und staatliche Kontrollen über Geld, Kreditwesen und Handel â bis hin zur Bereitschaft, Güter, Versorgungsdepots und Werkstätten unter staatlicher Regie zu betreiben. Der sich von Indien her ausbreitende, zunächst vor allem von Gewerbetreibenden und Händlern praktizierte Buddhismus stand kommerziellen Tätigkeiten positiver gegenüber. Buddhistische Klöster nahmen nicht nur die umfangreichen Schenkungen der Gläubigen entgegen, sie wirkten auch, von der staatlichen Beamtenschaft misstrauisch beobachtet und bisweilen unterdrückt, als Zentren der Kapitalbildung, der Kreditvergabe und der gewinnbringenden Anlage von Kapital in landwirtschaftlichen und gewerblichen Betrieben. Mitte des 8. Jahrhunderts wurde Guangzhou als lebhafte und wohlhabende Hafen- und Kaufmannsstadt geschildert. Fremde Besucher bezeugten den hohen Lebensstandard des Landes.
Das galt erst recht für China unter der Herrschaft der handelsfreundlichen Sung-Dynastie (960â1279). Mit Unterstützung der Regierung und ihrer neuen groÃen Flotte bauten dieKaufleute den Seehandel aus, vor allem mit Südostasien, Indien, der arabischen Welt und Ostafrika, sogar Ãgypten. Auch im Innern nahm die Bedeutung von Geld- und Marktbeziehungen erheblich zu. In einigen Regionen, vor allem im Südosten des Landes, entwickelte sich bis zum 13. Jahrhundert
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