Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Königreich, gehörten der Außen- und der Innenminister nicht zu den vorwärtsdrängenden Kräften. Die Katholiken waren ebenso wie die Dissenters durch die Testakte von 1673 von staatlichen und kommunalen Ämtern ausgeschlossen. Betroffen waren in England etwa 250.000 Menschen, unter ihnen Angehörige der Gentry und des Hochadels, in Irland die Masse der alteingesessenen Bevölkerung, um die 5 Millionen Menschen.
Nach dem Ende der schlimmsten Verfolgung Mitte des 18. Jahrhunderts war den irischen Katholiken 1778 das Recht zugestanden worden, Grundbesitz zu erwerben. Seit 1793 durften sie nach einem vergleichsweise demokratischen Wahlrecht Abgeordnete in das irische Parlament in Dublin wählen, das 1782 von der Oberhoheit des britischen Unterhauses befreit worden war. Das Wahlrecht behielten die irischen Katholiken auch nach der Gründung der Union mit Großbritannien im Jahre 1801, der britischen Antwort auf den blutig niedergeworfenen irischen Aufstand von 1798. Das Wahlrecht zu besitzen, hieß nunmehr an Wahlen zum Unterhaus in London teilnehmen zu können, denn ein irisches Parlament gab es seit 1801 nicht mehr. Ein Mandat im Unterhaus durften Katholiken aber nicht ausüben. So gesehen, waren die irischen Katholiken, was das Wahlrecht anging, nur geringfügig besser gestellt als die englischen.
Der politische Führer der katholischen Iren war der Dubliner Rechtsanwalt Daniel O’Connell, ein glänzender Rhetor und energischer Verfechter des «repeal», des Widerrufs der Union zwischen Großbritannien und Irland. 1823 gründete er die Catholic Association, die, vom Klerus nachdrücklich gefördert, rasch zur Massenorganisation aufstieg. Ein Verbot des Verbandes durch die Regierung Liverpool im Jahre 1825 fruchtete nichts; es führte lediglich zu einer Namens- und Statutenänderung. In London bemühte sich O’Connell mit Erfolg um die Unterstützung von Whigs und Tories, die der politischen Gleichberechtigung der Katholiken aufgeschlossen gegenüberstanden. Ein entsprechendes Gesetz fand 1825 die Mehrheit der Commons, wobei Canning für und Peel gegen die Vorlage stimmte; von den Lords aber wurde sie verworfen. Wie das Oberhaus, so war auch der König strikt gegen die Emanzipation der Katholiken.
Auf ihre rechtliche Gleichstellung mußten die Katholiken also weiter warten, und wie sie die Dissenters, deren Sache sich O’Connell, taktisch geschickt, zu eigen machte. 1828, inzwischen hatte der hochkonservative Wellington, der Sieger von Waterloo, das Amt des Premierministers übernommen, gelang zunächst den protestantischen Nonkonformisten der politische Durchbruch. Im Unterhaus fand ein Gesetz, das die Diskriminierung der Dissenters aufhob, eine große Mehrheit. Nachdem die beiden Erzbischöfe der anglikanischen Kirche in England und Schottland sich mit der Gleichberechtigung der Nonkonformisten einverstanden erklärt hatten, stimmten auch die Peers zu.
Kurz darauf sprach sich das Unterhaus erneut, diesmal mit der Stimme Peels, für die Emanzipation der Katholiken aus. Noch bevor das Oberhaus sich entschieden hatte, ließ sich O’Connell in der irischen Grafschaft Clare bei einer Nachwahl in die Commons wählen – wohl wissend, daß er das Mandat bei der gegenwärtigen Rechtslage nicht würde antreten können. Am 13. April 1828 fand die Vorlage in dritter Lesung die Zustimmung der Lords, worauf der bis zuletzt widerstrebende König das Gesetz unterschrieb. O’Connell mußte sich erneut ins Unterhaus wählen lassen, was 1830 geschah. Rechtlich waren Katholiken und Nonkonformisten den Angehörigen der anglikanischen Kirche nun gleichgestellt. In der politischen und gesellschaftlichen Wirklichkeit aber wirkten die Vorurteile, die zur Diskriminierung der Nichtanglikaner geführt hatten, noch lange nach.
Einen Durchbruch erreichten in den 1820er Jahren auch die Sozialreformer aus der radikalen Bewegung: Unter dem Eindruck einer harten publizistischen Kampagne und zahlreicher Petitionen hob das Unterhaus 1824/25 jene Bestimmungen des Pittschen Vereinsgesetzes (Combination Act) von 1799 auf, die die Gründung von Gewerkvereinen und damit die kollektive Aushandlung von Löhnen und Arbeitszeiten verboten. Damit war der Grund gelegt für die Bildung legaler «trade unions», die, wenn eine Einigung mit den Arbeitgebern nicht zustande kam, auch auf das Mittel des Streiks zurückgreifen konnten. Bei den hochqualifizierten Facharbeitern, obenan denen aus dem Druckereigewerbe der Hauptstadt, fand der
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