Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
einem (Ersten) Kontinentalen Kongreß zusammen, der bis Ende Oktober tagte und sich dann bis Mai 1775 vertagte. Massachusetts, New Hampshire, Rhode Island, New York, New Jersey, Pennsylvania, Delaware, Maryland, Virginia, North und South Carolina waren durch mindestens einen Sprecher vertreten; nur Georgia nahm nicht teil.
Die Meinungsführer auf dem Kongreß waren die «Patrioten». Sie mußten sich allerdings, um die gemäßigteren Delegierten nicht zurückzustoßen, einer gewissen Zurückhaltung befleißigen. Das Ziel der Unabhängigkeit durfte daher noch nicht offen benannt werden. Vielmehr kam es zunächst darauf an, die Kolonien vom Gehorsam gegenüber den neuen «Zwangsgesetzen», den «Coercive Acts», zu entbinden. Der Kongreß faßte den entsprechenden Beschluß, verabschiedete eine «Declaration of Rights and Grievances», eine Erklärung der Rechte und Beschwerden, die sich an das britische Volk wie an die Kolonien richtete, und wandte sich in einer Petition an König Georg III. Darin faßten die Delegierten alles zusammen, was schon bisher gegen die Gängelung der Kolonien durch das Mutterland vorgebracht worden war, und baten ihn, die Rechte der Kolonien gegenüber der Willkür von Regierung und Parlament zu schützen. Schließlich setzten sie eine «Association» ein, die den Boykott britischer Waren wiederaufnehmen und überwachen sollte. Die Ortsausschüsse dieser «Association» entwickelten sich in den folgenden Monaten zu einem revolutionären Netzwerk: Sie agitierten für die Unabhängigkeit, setzten die noch unentschiedenen Teile der Bevölkerung unter massiven Druck, verfolgten, nicht selten mit äußerst gewaltsamen Mitteln, die «Loyalisten», die den Bruch mit Großbritannien ablehnten, legten Waffenlager an und sammelten Truppen für den Kampf gegen die Kolonialmacht.
Die ersten Zusammenstöße zwischen britischen Truppen und bewaffneten Kolonisten, den «Minutemen», fanden am 19. April 1775 in Lexington und Concord, Massachusetts, statt. Mit diesen beiden Gefechten begann der amerikanische Unabhängigkeitskrieg: ein Konflikt, der sich über sechs Jahre hinziehen und die Welt nachhaltig verändern sollte. Als im Mai, wie im Oktober des Vorjahres beschlossen, der Zweite Kontinentalkongreß in Philadelphia zusammentrat, ging es nicht mehr um Protest und Propaganda, sondern um die militärische Selbstbehauptung der Kolonien. Aus den bereits bestehenden Milizen wurde eine gemeinsame Armee gebildet und dem Kommando eines erfahrenen Offiziers, des Plantagenbesitzers George Washington aus Virginia, unterstellt. Zugleich aber betonten die Delegierten ihre Treue zu König Georg III., den sie abermals baten, die Rechte der Kolonisten gegenüber Regierung und Parlament zu verteidigen. Die Annahme, daß nicht der König, sondern nur seine Minister Unrecht tun könnten («The King can do no wrong»), war eine Fiktion – aber sie war durch die Tradition geheiligt.
Der Appell an den König, die sogenannte «Palmzweig-Petition» (Olive Branch Petition), war ein Aufruf zur Beilegung des Konflikts durch Verhandlungen. Selbst die Delegierten aus Massachusetts, unter ihnen der Rechtsanwalt John Adams, ein Vetter von Samuel Adams und wie dieser einer der entschiedensten Vorkämpfer der Unabhängigkeit, stimmten dem Beschluß zu, weil es zu diesem Zeitpunkt weder unter den Delegierten noch in der amerikanischen Öffentlichkeit eine Mehrheit für den völligen Bruch mit Großbritannien gab. Ein Vorstoß des revolutionären Provinzialkongresses von Massachusetts, der den Kontinentalkongreß dazu bewegen wollte, allen Kolonien die rasche Bildung neuer, die Grundsätze der englischen Verfassung beachtender Regierungen zu empfehlen, fand daher keine Zustimmung.
John Adams und seine politischen Freunde hofften jedoch, daß der König das Verhandlungsangebot ablehnen werde. Genau das geschah: Am 23. August 1775 erklärte Georg III., sämtliche amerikanische Kolonien befänden sich im Zustand der Rebellion. (Bisher hatte dies das Unterhaus, im Februar 1775, nur im Hinblick auf Massachusetts festgestellt.) Kurz danach begann der König damit, bei Monarchen auf dem europäischen Kontinent um die Entsendung von Söldnern zu werben, die England bei der Niederwerfung der Rebellion helfen sollten. Sechs deutsche Landesherren waren dazu bereit. Von den rund 30.000 deutschen Soldaten, die über den Atlantik geschickt wurden, waren die meisten, etwa 17.000, Untertanen von Landgraf Friedrich II. von Hessen-Kassel. Wenn es
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