Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
war.
Wäre die Streichung nicht erfolgt, hätten South Carolina und Georgia der Unabhängigkeit schwerlich zugestimmt: Beide waren gegen jede Beschränkung des Sklavenhandels. Ein Nein zur Sklaverei als solcher hätte alle Sklavenhalterkolonien, auch Virginia, zu Gegnern der Unabhängigkeit gemacht (Thomas Jefferson und George Washington waren selbst Sklavenbesitzer, doch hatte der letztere in seinem Testament immerhin die Freilassung seiner Sklaven verfügt). Auch entschiedene Gegner der Sklaverei wie John Adams und Benjamin Franklin waren nicht gewillt, die Unabhängigkeitserklärung am unüberbrückbaren Gegensatz in dieser Frage scheitern zu lassen. Die «peculiar institution», wie man die Sklaverei in den Südstaaten beschönigend nannte, blieb die große Hypothek der Vereinigten Staaten bis zum Bürgerkrieg der Jahre 1861 bis 1865, ja, was die langfristigen Wirkungen angeht, bis zur Gegenwart.
Am 4. Juli 1776 wurde die Unabhängigkeitserklärung als «einmütige Erklärung der 13 vereinigten Staaten von Amerika» vom Kontinentalkongreß verkündet. Am Beginn stand ein Bekenntnis zu den unveräußerlichen Menschenrechten im Geist der Bill of Rights von Virginia. «Folgende Wahrheiten erachten wir als selbstverständlich (We hold these Truths to be self-evident): daß alle Menschen gleich geschaffen sind; daß sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräußerlichen Rechten (certain unalienable Rights) ausgestattet sind; daß dazu Leben, Freiheit und das Streben nach Glück (Life, Liberty and the Pursuit of Happiness) gehören; daß zur Sicherung dieser Rechte Regierungen unter den Menschen eingesetzt werden, die ihre rechtmäßige Macht aus der Zustimmung der Regierten (Consent of the Governed) herleiten; daß, wann immer irgendeine Regierungsform sich als diesen Zielen abträglich erweist, es Recht des Volkes ist, sie zu ändern oder abzuschaffen, eine neue Regierung einzusetzen und diese auf solchen Grundsätzen aufzubauen und ihre Gewalten in der Form zu organisieren, wie es ihm zur Gewährleistung seiner Sicherheit und seines Glückes geboten zu sein scheint.»
Dem Fanal folgte eine Rechtfertigung des amerikanischen Vorgehens, die erkennen ließ, daß Jefferson Lockes «Second Treatise of Government» gründlich gelesen hatte und daher wußte, von welchem Punkt ab Widerstand legitim, ja notwendig war: Gewiß gebiete es die Weisheit, daß von altersher bestehende Regierungen nicht aus geringfügigen und vorübergehenden Anlässen geändert werden sollten, und demgemäß habe jede Erfahrung gezeigt, daß die Menschen eher geneigt sind, zu dulden, solange die Mißstände noch erträglich sind, als sich unter Beseitigung altgewohnter Formen Recht zu verschaffen. «Aber wenn eine lange Reihe von Mißbräuchen und Übergriffen, die stets das gleiche Ziel verfolgen, die Absicht erkennen läßt, sie absolutem Despotismus zu unterwerfen, so ist es ihr Recht und ihre Pflicht, eine solche Regierung zu beseitigen und neue Wächter für ihre künftige Sicherheit zu bestellen.»
Die Anklagen, die die Unabhängigkeitserklärung gegen Georg III. erhob, erinnerten in manchem an klassische Dokumente der englischen Verfassungsgeschichte von der Magna Charta des Jahres 1215 über die Petition of Right von 1628 bis zur Declaration of Rights von 1689. Die Regierungszeit des gegenwärtigen Monarchen sei von unentwegtem Unrecht und ständigen Übergriffen gekennzeichnet, die alle auf die Errichtung einer absoluten Tyrannei über die Kolonien abzielten. Der König von Großbritannien habe seinen Gouverneuren verboten, notwendige Gesetze zu erlassen; er habe die gesetzgebenden Körperschaften der Kolonien in ihrer Arbeit behindert und aufgelöst, wenn sie sich seinen Eingriffen in die Rechte des Volkes widersetzten; danach habe er über längere Zeit hinweg Neuwahlen verhindert; er habe des weiteren die Rechtsprechung hintertrieben, indem er Gesetzen über die Erteilung richterlicher Befugnisse seine Zustimmung versagt und Richter von seinem Willen abhängig gemacht habe; ohne Zustimmung der Volksvertretungen habe der König auf dem Boden der Kolonien stehende Heere unterhalten und danach gestrebt, das Militär von der Zivilgewalt unabhängig zu machen und es ihr überzuordnen.
Der Zweck jener Entrechtung der Kolonien, wie sie der König von Großbritannien zusammen mit anderen betreibe, sei es unter anderem, den Handel der Kolonien mit allen Teilen der Welt zu unterbinden, ihnen ohne ihre Einwilligung Steuern aufzuerlegen,
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