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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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verabschiedete der Provinzialkonvent von Virginia die «Declaration of Rights». Es war die erste Menschenrechtserklärung der Geschichte. Der Grundrechtskatalog begann mit der Feststellung in Artikel 1: «Alle Menschen sind von Natur gleichermaßen frei und unabhängig und besitzen gewisse angeborene Rechte (That all men are by nature equally free and independent, and have certain inherent rights), die sie, bei Begründung einer politischen Gemeinschaft, ihren Nachkommen durch keinerlei Abmachungen wegnehmen oder entziehen können, nämlich das Recht auf Leben und Freiheit und dazu die Möglichkeit, Eigentum zu erwerben und zu behalten und Glück und Sicherheit zu erstreben und zu erlangen.»
    Dem schloß sich in Artikel 2 die Verkündung des Prinzips der Volkssouveränität an: «Alle Macht ruht im Volke und leitet sich daher von ihm ab; alle Amtspersonen sind seine Treuhänder und Diener (trustees and servants) und ihm jederzeit verantwortlich.» Die weiteren 14 Artikel garantieren unter anderem die Trennung von gesetzgebender, ausführender und rechtsprechender Gewalt, das Verbot, Gesetze oder deren Vollzug ohne Zustimmung der Volksvertretung aufzuheben, die Freiheit der Wahl, den Schutz vor ungesetzlicher Freiheitsberaubung, die Pressefreiheit, die als eine der großen Bollwerke der Freiheit (one of the great bulwarks of liberty) beschrieben wird, und die Religionsfreiheit.
    Virginia konnte aber nicht nur auf dem Gebiet der unveräußerlichen Menschenrechte ein Erstgeburtsrecht für sich beanspruchen. Es war auch die Provinz, die im Kontinentalkongreß den entscheidenden Anstoß zur Unabhängigkeitserklärung gab. Am 7. Juni 1776 brachten die Delegierten Virginias, einer Instruktion ihres Provinzialkongresses folgend, den Antrag ein, die Vereinigten Kolonien als von Rechts wegen freie und unabhängige Staaten zu erklären, sie aller Treueide gegenüber der britischen Krone zu entbinden, jede politische Bindung an den Staat Großbritannien vollständig aufzulösen, Bemühungen um die Unterstützung fremder Mächte einzuleiten und eine Konföderation zu bilden, die die Kolonien enger miteinander verbinden sollte.
    Im Kontinentalkongreß gab es zu dieser Zeit noch immer starke Bedenken gegen eine sofortige Erklärung der Unabhängigkeit. Die Widerstände waren besonders hartnäckig in Maryland, Pennsylvanien und Delaware, wo «Dynastien» in Gestalt der Familien Baltimore und Penn nach wie vor über großen Einfluß verfügten, aber auch in New York, New Jersey und South Carolina. Doch die Zeit arbeitete für die Befürworter eines raschen und radikalen Bruches mit dem Mutterland. Das lag nicht zuletzt an der militärischen Lage. Zwar hatte die Armee der Kolonisten im März 1776 den Briten Boston entreißen können, aber der Versuch, Quebec zu nehmen und Kanada zu erobern, war gescheitert, und New York galt als aufs höchste gefährdet. Mit dem Eintreffen von Söldnertruppen aus Europa mußte jederzeit gerechnet werden. Um so wichtiger war es, von Mächten Unterstützung zu erhalten, die als traditionelle Gegner Englands galten, namentlich von Frankreich, den Niederlanden und Spanien. Eine derartige Hilfe durfte man aber erst erwarten, nachdem die Kolonien sich offiziell von Großbritannien losgesagt hatten.
    Am 2. Juli 1776, einen Tag, bevor die Briten mitsamt ihren deutschen Söldnern in Staten Island bei New York landeten, fiel die Entscheidung. Der Antrag von Virginia wurde von allen Kolonien bis auf eine angenommen. Die Ausnahme bildete New York. Dessen Delegierte hatten schon tags zuvor erklärt, sie stimmten dem Antrag persönlich zu, ebenso ihre Wähler; dennoch müßten sie sich noch der Billigung ihres Provinzialkongresses versichern. Diese wurde am 9. Juli erzielt, so daß es nicht mehr den geringsten Zweifel am gemeinsamen Willen der 13 Kolonien geben konnte.
    Den Entwurf der Unabhängigkeitserklärung hatte im Auftrag einer am 11. Juni vom Kongreß eingesetzten Kommission der junge Rechtsanwalt und Plantagenbesitzer Thomas Jefferson aus Virginia verfaßt. Das fünfköpfige Gremium, dem auch John Adams aus Massachusetts und Benjamin Franklin aus Pennsylvanien angehörten, leitete den redigierten Entwurf an den Kongreß weiter, der den Text gründlich überarbeitete und erheblich straffte. Einen Passus, der Georg III. die Versklavung der schwarzen Afrikaner und den Handel mit Sklaven zum Vorwurf machte, strichen die Delegierten in Gänze, obwohl darin von einer Aufhebung der Sklaverei gar keine Rede

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