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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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sichern können. In New York und Georgia, wo das nicht der Fall war, dauerte es nicht lange, bis die Kolonisten auch hier ihre Vertretungskörperschaften erhielten. Um 1640 gab es bereits in acht Kolonien gewählte Versammlungen, die die Interessen der Siedler gegenüber der Handelsgesellschaft, dem königlichen Gouverneur oder, so in Maryland und Pennsylvania, dem «Proprietor» vertraten. Seit Ende des 17. Jahrhunderts verstanden sich die Versammlungen, wie der deutsche Historiker Willi Paul Adams schreibt, «zunehmend als Ableger des Unterhauses und ahmten dessen Zeremoniell soweit wie möglich nach».[ 201 ]
    «Representative Government», wie es in den frühen Kolonien praktiziert wurde, bedeutete: Wahl eines Repräsentantenhauses durch Wahlmänner der Counties. Die «electors» wie die Kandidaten wurden auf Grund eines Zensuswahlrechts gewählt, das an ein gewisses Maß an Grundbesitz oder Steuerleistungen gebunden war. In den meisten Kolonien Neu-Englands, wo es neben der Volksvertretung eine Art gewähltes Oberhaus, ein den Gouverneur beratendes Gremium, gab, traf dies auch für seine Wahl zu; in Connecticut und Rhode Island, wo der Gouverneur von Wahlmännern der Siedler gewählt wurde, auch für dessen Wahl. Das Besitzkriterium wurde mit dem aus England übernommenen Argument gerechtfertigt, erst Eigentum mache frei und verbinde die Eigentümer mit dem Schicksal der Gemeinschaft; Steuern auf das Eigentum konnten nur erhoben werden, wenn die Mehrheit der Eigentümer dem zustimme. Um Mandatsträgern einen Mißbrauch der ihnen übertragenen Macht unmöglich zu machen, waren ihre Amtszeiten kurz bemessen (bei den Repräsentantenhäusern war jährliche Neuwahl die Regel). Soweit den Wählern ein Recht auf Instruktion der Gewählten zustand, wurde es so flexibel gehandhabt, daß die Repräsentanten in ihrer Entscheidungsfreiheit kaum beschränkt waren.[ 202 ]
    Von einer kontinuierlichen Erweiterung der Selbstverwaltungsrechte kann freilich nicht die Rede sein. Die letzten beiden Stuartkönige, Karl II. und Jakob II., sahen im steigenden Selbstbewußtsein der Kolonisten eine Gefahr für britische Interessen, und entsprechend handelten sie. 1684 wurde die Charter für Massachusetts für nichtig erklärt; auch die übrigen Kolonien Neu-Englands kamen unter die Gewalt des Königs; die Volksvertretungen wurden aufgelöst.
    Die puritanischen oder kongregationalistischen Siedler wehrten sich gegen ihre Entrechtung und hatten damit nach der Glorious Revolution von 1688, unterstützt vom englischen Unterhaus, teilweise Erfolg. Das Recht auf die Ernennung der Gouverneure konnte sich die Krone in der Folgezeit aber überall sichern, wobei Massachusetts mit der neuen Charter von 1691 den Anfang machte; in den meisten Kolonien kam dazu noch das Recht, die Mitglieder des Rates, der dem Gouverneur beratend zur Seite stand, zu ernennen. Die Gesetzgebung der Kolonien unterlag seit dem frühen 18. Jahrhundert dem Vorbehalt der Revision durch den Geheimen Kronrat, den Privy Council: eine Regelung, die in der Praxis jedoch keine große Bedeutung erlangte. Die Regierung in London konnte auch nicht verhindern, daß die Macht der Gouverneure fortschreitend an die gewählten Versammlungen der einzelnen Kolonien überging. Die Entscheidungen, die für die Kolonien wichtig waren, fielen Mitte des 18. Jahrhunderts zu einem erheblichen Teil in deren Hauptstädten und nicht mehr in London.
    Zum Wendepunkt in den Beziehungen zwischen Großbritannien wurde der Siebenjährige Krieg. Schon zuvor hatte es mehrere bewaffnete Konflikte zwischen England und Frankreich auf amerikanischem Boden gegeben. Das Ergebnis des großen Ringens der Jahre 1756 bis 1763 aber bedeutete nicht mehr und nicht weniger, als daß Frankreich ein riesiges Gebiet, das sich vom unteren Mississippi bis nach Kanada erstreckte, an die Briten abtreten mußte. Die englischen Kolonisten hatten sich in ihrer großen Mehrheit nicht an den Kämpfen beteiligt und das Mutterland auch materiell nur in bescheidenem Umfang unterstützt. Im Ausgang des Krieges aber sahen sie die Chance, die «frontier» des von ihnen besiedelten Territoriums über die Alleghenies weiter nach Westen, bis zum Mississippi, vorzuschieben.
    Die Regierung in London dachte jedoch gar nicht daran, solche Bestrebungen zu fördern. Sie bemühte sich vielmehr erstmals ernsthaft darum, den nordamerikanischen Kolonialbesitz einer wirksamen Oberaufsicht zu unterstellen. Zu diesem Vorhaben gehörten auch ein schonender

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