Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
Vom Netzwerk:
ihnen ihre Freibriefe, die «Charters», zu entziehen, ihre wichtigsten Gesetze aufzuheben und ihre Regierungsform grundlegend zu ändern und sich, dem König von Großbritannien, die unumschränkte Gewalt über die Kolonien zu sichern. «Er hat seinen Herrschaftsanspruch hier dadurch aufgegeben, daß er uns als außerhalb seines Schutzes stehend erklärte und Krieg gegen uns führte. Er hat unsere Meere geplündert, unsere Küsten verheert, unsere Städte niedergebrannt und unsere Mitbürger getötet. Er schafft gerade jetzt große Heere fremder Söldner heran, um das Werk des Todes, der Verheerung und der Tyrannei zu vollenden, das er bereits mit Grausamkeit und Treubrüchen begangen hat, die ihresgleichen kaum in den barbarischsten Zeiten finden und des Oberhauptes einer zivilisierten Nation völlig unwürdig sind.»
    Nachdem alle in untertänigster Form geäußerten Bitten um Abhilfe nur durch neues Unrecht beantwortet worden und alle Appelle an die britischen Brüder ungehört verhallt seien, gelte es nunmehr, nach vollzogener Trennung, diese wie die übrige Menschheit zu behandeln: als Feinde im Krieg, als Freunde im Frieden. «Daher tun wir, die in einem gemeinsamen Kongreß versammelten Vertreter der Vereinigten Staaten von Amerika, unter Anrufung des Obersten Richters über diese Welt als Zeugen für die Rechtschaffenheit unserer Absichten namens und im Auftrag der anständigen Bevölkerung (the good People) dieser Kolonien feierlich kund und zu wissen, daß die Vereinigten Kolonien freie und unabhängige Staaten sind und es von Rechts wegen bleiben sollen; daß sie von jeglicher Treuepflicht gegen die britische Krone entbunden sind, und daß jegliche politische Verbindung zwischen ihnen und dem Staat Großbritannien vollständig gelöst ist und bleiben soll; und daß sie als freie und unabhängige Staaten das Recht haben, Krieg zu führen, Frieden zu schließen, Bündnisse einzugehen, Handel zu treiben und alle anderen Handlungen vorzunehmen und Staatsgeschäfte abzuwickeln, zu denen unabhängige Staaten rechtens befugt sind. Und zur Erhärtung dieser Erklärung verpflichten wir uns gegenseitig feierlich in festem Vertrauen auf den Schutz der göttlichen Vorsehung zum Einsatz unseres Lebens, unseres Gutes und unserer heiligen Ehre.»
    Die Unabhängigkeitserklärung argumentierte historisch und naturrechtlich: Sie berief sich zum einen, ähnlich wie die großen britischen Texte zur Verteidigung der Parlamentsrechte aus dem 17. Jahrhundert, auf überkommene Rechte, die der Machthaber, der König von Großbritannien, systematisch verletzt habe. Zum anderen beschwor sie angeborene und unveräußerliche Rechte aller Menschen. Damit ging die Erklärung vom 4. Juli 1776 weit über das hinaus, was die Habeas-Corpus-Akte von 1679 zum Schutz der englischen Untertanen verfügt und verbürgt hatte. In «geziemender Rücksichtnahme auf die Meinung der Menschheit» (a decent Respect to the Opinions of Mankind) vertraten die Gründerväter der Vereinigten Staaten von Amerika ihr Anliegen, die vollständige Trennung von der als tyrannisch empfundenen Herrschaft Großbritanniens mit dem Wunsch aller freiheitsliebender Menschen, ein selbstbestimmtes Leben ohne alle Unterdrückung zu führen. Schon die Lossagung vom kolonialen Mutterland wies alle Eigenschaften eines revolutionären Aktes auf. Die Berufung auf allgemeine Menschenrechte und das aus ihnen abgeleitete Prinzip der Volkssouveränität aber waren noch in einem anderen Sinn revolutionär: Sie stellten ein Versprechen an die Menschheit dar und machten damit aus dem Unabhängigkeitskampf der Amerikaner die erste moderne Revolution der Geschichte.
    Was die Unabhängigkeitserklärung zu den Menschenrechten sagte, war in einem Satz zusammengefaßt. Aber dieser eine Satz bündelte Erfahrungen und Erkenntnisse von Jahrtausenden auf eine Weise, die aus den «selbstverständlichen Wahrheiten» ein Programm zur Veränderung der Welt machten. Der humanistisch gebildete, von der europäischen Aufklärung geprägte Jefferson schöpfte, nicht anders als John Adams, Benjamin Franklin und viele andere Unterzeichner der Erklärung vom 4. Juli 1776, aus einem Gedankengut, zu dem die naturrechtliche Tradition seit der Stoa und Cicero, die Lehren neuerer Denker wie Harrington, Locke und Montesquieu ebenso gehörten wie die in Amerika selbst gewonnenen Einsichten in die Notwendigkeit von religiöser und politischer Toleranz. Jefferson konnte auf die sehr viel ausführlichere Darlegung

Weitere Kostenlose Bücher