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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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der Menschenrechte in der Declaration of Rights seiner Heimatkolonie Virginia vom 12. Juni 1776 zurückgreifen, die zum Vorbild für die Verfassungen anderer Gründerstaaten der USA werden sollte: Noch im Jahre 1776 folgten Pennsylvanien, Maryland und North Carolina, in den Jahren bis 1783 Massachusetts und New Hampshire.[ 206 ]
    Wer eine Vorgeschichte der ersten Menschenrechtserklärungen schreiben wollte, müßte auch noch andere Beiträge nennen: die der spanischen Spätscholastiker Francisco de Vitoria und Francisco Suarez etwa, die im 16. und frühen 17. Jahrhundert den amerikanischen Indios das Recht zugesprochen hatten, als Menschen behandelt zu werden, in den britischen Kolonien Nordamerikas aber schon deshalb keine Wirkung erzielten, weil die Autoren Katholiken waren. Als Wegbereiter der Menschenrechte wären auch deutsche Philosophen und Staatsrechtslehrer zu erwähnen, von denen freilich nur einer, Samuel Pufendorf, einen gewissen Widerhall auf der anderen Seite des Atlantiks, in Massachusetts, fand. Aber die politische Ideengeschichte liefert keine Antwort auf die Frage, warum die unveräußerlichen Menschenrechte zuerst auf nordamerikanischem Kolonialboden in den Rang von Verfassungsartikeln und damit von höchsten Rechtsgütern erhoben worden sind.
    Die wissenschaftliche Debatte hierüber begann 1895 mit der rasch berühmt gewordenen, in vielen Auflagen erschienenen und in mehrere Sprachen übersetzten Abhandlung des österreichischen Staatsrechtlers Georg Jellinek «Die Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte». Darin betonte der Autor die englisch-puritanischen Ursprünge des nordamerikanischen Verständnisses von Religionsfreiheit als Menschenrecht. Er verwies auf Robert Browne, den Stammvater des Kongregationalismus, der seit Ende des 16. Jahrhunderts dem anglikanischen Staatskirchentum das Prinzip der Kirche als Gemeinde entgegensetzte. Die Gemeinde war für Browne und seine Anhänger die Gemeinschaft der Gläubigen, die sich durch einen Vertrag (covenant) mit Gott zum Gehorsam gegen Christus verpflichtet hatten und über alle Fragen des Gemeindelebens nach gemeinsamer Beratung mit Mehrheit entschieden. Eine Kirche oberhalb der Gemeinde lehnte Browne ab.
    In England verfolgt, entwickelte sich der Kongregationalismus, die früheste Form des Independentismus, im holländischen Exil, in Leyden, weiter. Aus der Leydener Gruppe stammten auch, wie schon erwähnt, die Pilgerväter, die 1620 mit der «Mayflower» nach Massachusetts kamen. Von einer aus Leyden nach England zurückgekehrten anderen kongregationalistischen Sekte, den Levellern, wurde im Oktober 1647 als Verfassungsentwurf für England auf einer Versammlung des Armeerates von Cromwells Heer das «Agreement of the People» vorgelegt, in dem sie die Freiheit des religiösen Gewissens als eines der «angeborenen Rechte» (native rights) bezeichneten, über das keine menschliche Macht, auch nicht das Unterhaus, irgendein Verfügungsrecht habe, an das vielmehr alle künftigen Repräsentanten der Nation gebunden seien.
    In der Linie, die Jellinek von den radikal puritanischen Bewegungen im England des 16. und 17. Jahrhunderts zu den amerikanischen Menschenrechtserklärungen von 1776 und danach zog, spielte der Gründer von Rhode Island, Roger Williams, eine wichtige Rolle. Er setzte in seiner Kolonie jene, von den Levellern geforderte strikte Trennung von Kirche und Staat durch, ohne die ein friedliches Zusammenleben von Siedlern unterschiedlichen Glaubens nicht vorstellbar war. Andere Kolonien gelangten früher oder später ebenfalls zu der Einsicht, daß eine klare Unterscheidung zwischen religiösen und weltlichen Belangen ein Unterpfand persönlicher und politischer Freiheit war. Jellinek folgerte: «Die Idee, unveräußerliche, angeborene, geheiligte Rechte des Individuums gesetzlich festzustellen, ist nicht politischen, sondern religiösen Ursprungs. Was man bisher für ein Werk der Revolution (von 1789, H.A.W.) gehalten hat, ist in Wahrheit eine Frucht der Reformation und ihrer Kämpfe.»
    Ernst Troeltsch stimmte 1911 in seiner Schrift «Die Bedeutung des Protestantismus für die Entstehung der modernen Welt» Jellinek weitgehend zu, betonte aber noch schärfer als dieser, daß der «Vater der Menschenrechte» nicht der eigentliche kirchliche Protestantismus, sondern das von ihm gehaßte und in die Neue Welt vertriebene Sektentum und der «Spiritualismus», eine amerikanische Spielart des Pietismus, gewesen seien. «Das nordamerikanische

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