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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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unverhüllte Kriegsdrohung ernst. Sie wies zwar die neue Olney-Aktion und darüber hinaus die Anerkennung der Monroe-Doktrin als Völkerrechtsnorm scharf zurück, erklärte sich aber wenig später bereit, den amerikanischen Vorschlag einer schiedsgerichtlichen Schlichtung des Streits mit Venezuela anzunehmen. Danach besserte sich das Verhältnis zwischen den beiden Staaten. Während des spanisch-amerikanischen Krieges gab England als einzige europäische Großmacht den Vereinigten Staaten diplomatische Rückendeckung. Die amerikanischen Imperialisten, die, anders als die breite Öffentlichkeit, ohnehin anglophil waren, sprachen seitdem noch lieber als zuvor von den historischen Gemeinsamkeiten der angelsächsischen Völker. Olney, inzwischen nicht mehr Außenminister, vertrat 1898 sogar die These, es gebe «ebenso einen Patriotismus der Rasse wie einen Patriotismus des Landes» (There is a patriotism of race as well as of country).
    Gelegentlich tauchte in den neunziger Jahren bereits der Ruf nach einer amerikanisch-britischen Verbrüderung auf. Der Gedanke einer «special relationship» zwischen Amerika und seiner ehemaligen Kolonialmacht gewann allmählich an Boden, was den britischen Kolonialminister Joseph Chamberlain um die Jahrhundertwende ermutigte, den Gedanken eines festen Bündnisses beider Mächte zu ventilieren (was in Washington auf keine Gegenliebe stieß). Die Betonung der rassischen Verbundenheit beider Völker hatte freilich für die USA auch einen gefährlichen Nachteil: Sie forderte alle Amerikaner heraus, die keine englischen Vorfahren hatten. Infolgedessen gingen die anglophilen Eliten der Ostküste schon bald nach der Jahrhundertwende dazu über, den Begriff «Anglo-Saxon» durch «English speaking» zu ersetzen.
    Bis ins späte 19. Jahrhundert war der amerikanische Kontinent die Einflußsphäre der USA schlechthin. Seit den achtziger Jahren weitete sich ihr Interessengebiet immer mehr aus; es wurde pazifischer und imperialer. «Unser Handel muß künftig zum größten Teil mit Asien betrieben werden», erklärte Beveridge in seiner Rede vom 9. Januar 1900. «Der Pazifik ist unser Ozean. Europa wird mehr und mehr selbst produzieren, was es benötigt, und sich in seinen Kolonien sichern, was es verbraucht. Wo sollen wir Verbraucher für unsere überschüssige Produktion finden? Die Geographie beantwortet die Frage. China ist unser natürlicher Abnehmer. Es ist uns näher als England, Deutschland oder Rußland, die Handelsmächte der Gegenwart und der Zukunft. Sie sind näher an China herangerückt, indem sie sich ständige Stützpunkte an seinen Grenzen gesichert haben. Die Philippinen geben uns einen Stützpunkt am Eingang zum gesamten Osten.»
    Die Errichtung europäischer Stützpunkte an den Küsten Chinas war 1897, zwei Jahre nach der Niederlage des Kaiserreichs im Krieg mit Japan, in eine neue Phase getreten. Als Vergeltung für die Ermordung von zwei katholischen deutschen Missionaren in Schantung besetzte das Deutsche Reich das Gebiet von Kiautschou mitsamt Tsingtau, das es 1898 in einem Vertrag mit China auf 99 Jahre pachtete. Kurz darauf zogen die anderen Großmächte nach: Frankreich sicherte sich Kwangtschouwan, Rußland Talienwan mit Port Arthur und Dairen, England Weihaiwei und die «New Territories» im Hinterland von Hongkong. Es folgte im April 1899 die Aufteilung Chinas in Interessensphären der Großmächte, wobei Rußland, Deutschland und Großbritannien die größten, Frankreich, Japan und Italien kleinere Anteile erhielten. Ein Versuch des Kaisers Guangxu, sein Reich durch innere Reformen zu stabilisieren und damit widerstandsfähig zu machen, scheiterte nach legendären «Hundert Tagen» am Widerstand reaktionärer Kräfte unter der Kaiserin Cixi; der Kaiser wurde auf ihre Weisung hin interniert. Noch im gleichen Jahr begann sich eine nationale Protestbewegung zu formieren: die «Boxer», deren oberstes Ziel es war, die fremden Mächte aus China zu vertreiben und damit der fortdauernden Demütigung des «Reiches der Mitte» durch die Europäer ein Ende zu bereiten.
    Die Vereinigten Staaten waren durch das Vorgehen der Europäer aufs höchste alarmiert. Im September 1898 forderte Präsident McKinley erstmals eine Politik der «open door» im Handel mit China, wobei die Tür nicht etwa nur den USA, sondern allen Mächten offenstehen sollte. Ein Jahr später, im September 1899, versuchte Außenminister John Hay in Noten an alle Großmächte, eine Festlegung auf die

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