Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)
Friede von Peking, häufiger «Boxerprotokoll» genannt, wurde einen Tag nach dem Attentat auf Präsident McKinley unterzeichnet. Am 14. September 1901, dem Todestag McKinleys, trat der Nachfolger, Theodore Roosevelt, sein Amt an. Der 26. Präsident der Vereinigten Staaten hielt sich in den siebeneinhalb Jahren, in denen er an der Spitze der Union stand, auf dem Feld der internationalen Politik an die von ihm gern zitierte Devise «Speak softly, but carry a big stick» (Sprich sanft, aber führe einen großen Stock mit dir). Wie die meisten Imperialisten teilte er die Welt in zivilisierte und unzivilisierte Nationen ein, und wie Beveridge rechnete er letztlich nur die angelsächsischen und «teutonischen» Völker zur ersten Kategorie. Als unzivilisiert und rückständig galt ihm auch Lateinamerika, wo er, wenn es ihm im Interesse der USA zu liegen schien, bedenkenlos vom «big stick» Gebrauch machte.
Seine militärischen Machtmittel hatte Amerika nach dem Krieg mit Spanien erheblich verstärkt. Unter dem Kriegsminister der Jahre 1899 bis 1905, Elihu Root, wuchs die reguläre Armee von 25.000 auf 100.000 Mann; die Kriegsmarine wurde bis 1906 zur zweitgrößten Flotte der Welt, übertroffen nur noch von Großbritannien. Die Offiziere wurden in besonderen Colleges ausgebildet, die Nationalgarden der Einzelstaaten einheitlichen Standards unterworfen. Einen Generalstab, die Joint Chiefs of Staff, erhielten die USA erst 1913, unter der Präsidentschaft des Demokraten Woodrow Wilson. Aber unter den Republikanern McKinley und Roosevelt wurden die entscheidenden Schritte zum Aufbau eines modernen Militärsystems getan: eine unabdingbare Voraussetzung für die Ausfüllung der Weltmachtrolle, die Amerika für sich in Anspruch nahm.
Zum zentralen Projekt der ersten Amtszeit Roosevelts wurde der Bau des Panamakanals. Einen Versuch, an der engsten Stelle Mittelamerikas einen Schiffahrtsweg zwischen Atlantik und Pazifik zu bauen, hatte bereits 1879 Ferdinand de Lesseps, der Initiator des Suezkanals, mit Hilfe einer französischen Gesellschaft unternommen, war damit aber 1889 gescheitert. 1902 sicherten sich die USA für 40 Millionen Dollar die französischen Rechte am Kanalbau, nachdem sie ein Jahr zuvor mit Großbritannien den Verzicht auf den Clayton-Bulwer-Vertrag von 1850 vereinbart hatten, der beide Mächte zu einem gemeinsamen Vorgehen im Falle eines transisthmischen Kanalbaus verpflichtete. Damit war auch das konkurrierende Vorhaben eines Kanals in Nicaragua erledigt. Was den Vereinigten Staaten aber noch fehlte, war die Zustimmung Kolumbiens, auf dessen Staatsgebiet Panama lag, zur Abtretung einer etwa 10 Kilometer breiten Kanalzone. Die USA wollten dafür 10 Millionen Dollar und jährliche Gebühren in Höhe von 250.000 Dollar zahlen. Als der Senat von Kolumbien das amerikanische Ansinnen empört zurückwies, ließ Roosevelt im Herbst 1903 unter Einsatz erheblicher Finanzmittel eine «Revolution» gegen Kolumbien und für die USA organisieren. Zwecks Aufrechterhaltung der «Ordnung» schickte er ein Kriegsschiff mit Marinesoldaten nach Panama, die die kolumbianische Armee daran hinderten, die bezahlten Rebellen niederzuwerfen.
Der Proklamation der Republik Panama am 3. November 1903 folgte die Anerkennung durch die Vereinigten Staaten auf dem Fuß. Die neue panamesische Regierung (mit dem amerikanischen Bankier J. P. Morgan als erstem Finanzminister) akzeptierte die von Kolumbien abgelehnten Bedingungen. Die Bauarbeiten konnten beginnen, der Kanal im Oktober 1914 eröffnet werden. Die 1904 verabschiedete Verfassung von Panama räumte den USA nicht nur die volle politische und militärische Kontrolle über die Kanalzone, sondern auch ein Interventionsrecht ein. Erst 1960 gestand Washington Panama die nominelle Souveränität zu. Wenige Interventionen haben dem Ansehen der Vereinigten Staaten in Lateinamerika so geschadet wie dieser Rückgriff auf das vermeintliche Recht des Stärkeren: ein hoher, wenn auch nicht meßbarer Preis für die dramatische Verkürzung des Seewegs zwischen dem Atlantischen und dem Stillen Ozean.
Weniger brutal, aber nicht minder wirksam war die erste Anwendung einer Erweiterung der Monroe-Doktrin, der «Roosevelt Corollary», wie sie der Präsident in seinen jährlichen «State of the Union»-Reden vor dem Kongreß 1904 und 1905 entwickelte. Die neue Doktrin besagte, daß die USA sich das Recht vorbehielten, in Staaten der westlichen Hemisphäre einzugreifen, wenn diese nicht bereit oder nicht
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