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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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1901 übernahm William Howard Taft, der spätere republikanische Präsident der Vereinigten Staaten, das Amt des ersten Zivilgouverneurs der Philippinen. Er widmete sich dem Bau von Krankenhäusern, Schulen, Straßen und Brücken, leitete eine Bodenreform ein und legte den Grund für den Aufbau einer philippinischen Selbstverwaltung. Seit 1907 konnten die Filipinos eine eigene Volksvertretung wählen; 1916 gestand ihnen Präsident Wilson die innere Autonomie zu.
    Der Krieg auf den Philippinen spaltete die amerikanische Öffentlichkeit wie kein anderes Ereignis seit dem Bürgerkrieg. Im November 1898 gründeten einige der schärfsten Kritiker der amtlichen Politik die Anti-Imperialist League. Ihre erste größere Aktion war eine Kampagne gegen die Unterzeichnung des Pariser Friedensvertrags. Zu den führenden Mitgliedern gehörten der frühere Innenminister und einstige deutsche «Achtundvierziger» Carl Schurz, der Mitbegründer des Philosophischen Pragmatismus, William James, der demokratische Präsidentschaftskandidat von 1896, 1900 und 1908, William Jennings Bryan, aber auch der als Sozialdarwinist bekannte Großunternehmer Andrew Carnegie. Bryan, der wirkungsvollste Sprecher der Gruppe, brachte im Dezember 1898 das Credo der Antiimperialisten auf eine an Lincoln angelehnte Formel: «Diese Nation kann nicht bestehen, wenn sie halb Republik und halb Kolonie, halb frei und halb Vasall ist (This nation cannot endure half republic and half colony, half free and half vassal). Unsere Regierungsform, unsere Traditionen, unsere gegenwärtigen Interessen und unser künftiges Wohlergehen, sie alle verbieten es uns, eine Eroberungskarriere einzuschlagen.»
    Nach der Überzeugung von Antiimperialisten wie Bryan mußten die Vereinigten Staaten nicht die Philippinen erobern, um eine Weltmacht zu werden. Sie waren seit über einem Jahrhundert eine Weltmacht, die, wie Bryan es am 22. Februar 1899 ausdrückte, «auf die menschliche Rasse einen stärkeren Einfluß als alle anderen Nationen der Erde ausgeübt haben, und das, ohne das Schwert oder ein Gatling-Gewehr zu gebrauchen.» (Das Gatling-Gewehr war eine automatische Handfeuerwaffe, die im Krieg gegen Spanien eingesetzt wurde, H.A.W.) Gut zwei Wochen zuvor, am 6. Februar, hatte der Senat nach dreimonatiger, kontroverser Debatte den Pariser Vertrag mit einer Mehrheit von nur zwei Stimmen ratifiziert. In dem knappen Ergebnis schlugen sich die ersten Meldungen über amerikanische Opfer in den Kämpfen mit den aufständischen Filipinos nieder.
    Am 18. Oktober 1898 verabschiedete die Anti-Imperialist League auf einem Kongreß in Chicago eine Grundsatzerklärung, die eine einzige Anklage gegen die Politik der Administration von McKinley und ihrer Unterstützer darstellte. Der Krieg auf den Philippinen sei ein «ungerechter Krieg» (unjust war) und die Niedermetzelung der Filipinos eine unnötige Greueltat; das Vorgehen der Regierung verstoße gegen die fundamentalen Prinzipien und vornehmsten Ideale der Vereinigten Staaten. «Wir bestreiten, daß sich die Pflicht aller Bürger, ihre Regierung in Zeiten großer nationaler Gefahr zu unterstützen, auf diese Situation bezieht … Wir werden uns der Wiederwahl aller widersetzen, die im Weißen Haus und im Kongreß die amerikanische Freiheit um unamerikanischer Gewinne willen verraten (betray American Liberty in pursuit of un-American gains) … Wir halten mit Abraham Lincoln daran fest, daß kein Mensch gut genug ist, um einen anderen Menschen ohne dessen Zustimmung zu regieren.» Das Manifest schloß mit einem Aufruf an alle Männer und Frauen, die gegenüber der Unabhängigkeitserklärung und der Verfassung der Vereinigten Staaten loyal seien, mit der Anti-Imperial League zusammenzuarbeiten.
    Überzeugte Imperialisten wie Theodore Roosevelt oder die republikanischen Senatoren von Massachusetts und Indiana, Henry Cabot Lodge und Albert J. Beveridge, ließen sich weder durch schlechte Nachrichten von den Philippinen noch durch die häufig zu hörende Warnung beirren, Amerika dürfe sich nicht wie einst das römische Reich durch überdehnung selbst zerstören. Für die Imperialisten war die Expansion im pazifischen Raum die maritime Fortsetzung des kontinentalen «westward movement», des historischen Drangs nach Westen, der Aufbruch zu einer «new frontier» und folglich Amerikas «Manifest Destiny». Am 9. Januar 1900 hielt Beveridge, der im Jahr zuvor eine ausgedehnte Reise durch die Philippinen unternommen hatte, seine

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