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Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition)

Titel: Geschichte des Westens: Von den Anfängen in der Antike bis zum 20. Jahrhundert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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der Vergangenheit oder den britischen und französischen der Gegenwart vergleichen ließ. Wenn die Vereinigten Staaten sich als «Empire» verstanden, konnten sie das schon auf Grund der Zahl der Bewohner, des Reichtums und der gleichsam kontinentalen Größe der Union tun. Der Imperialismus, den die USA vor wie nach 1898 bevorzugten, war ein informeller: die faktische Ausübung von Macht über andere Länder, nicht ihre formelle Kolonialisierung.
    Der informelle, auf wirtschaftliche Interessen gestützte Imperialismus war in den USA, anders als der formelle, innenpolitisch kaum umstritten. Soweit es um die Durchsetzung der wirtschaftlichen Interessen Amerikas mit Hilfe der bewaffneten Macht ging, waren auch die meisten «Anti-Imperialisten» Imperialisten. Sie fanden auch, ungeachtet aller Auseinandersetzungen über die Höhe von Einfuhrzöllen, nichts daran auszusetzen, daß die Vereinigten Staaten sich gegenüber dem industriellen Europa handelspolitisch anders verhielten als gegenüber den agrarisch geprägten Ländern der westlichen Hemisphäre, im pazifischen Raum und in Asien: Im Fall der «alten Welt» traten sie als Schutzzöllner, ansonsten als Freihändler auf.
    Nach der Devise, daß es auf die tatsächliche Durchsetzung der handelspolitischen Interessen der USA und nicht auf formelle Abhängigkeit ankam, verfuhr Washington gegenüber Mittel- und Südamerika schon seit Monroes Zeiten – und zwar gleichgültig, ob gerade die «imperialistischen» Republikaner oder die «antiimperialistischen» Demokraten an der Macht waren. «Weiche» Mittel wie die von den Vereinigten Staaten angeregte Gründung der Pan American Union, die 1889, zu Beginn der Präsidentschaft des Republikaners Harrison, in Washington ihren ersten Kongreß abhielt, erwiesen sich als nicht sehr wirkungsvoll: Die lateinamerikanischen Staaten lehnten das wichtigste Projekt von Außenminister James G. Blaine, die Schaffung einer panamerikanischen Zollunion, ab. Durch wirtschaftlichen, politischen und gegebenenfalls militärischen Druck wurde mehr erreicht: 1889 griffen die Vereinigten Staaten in revolutionäre Machtkämpfe auf Haiti ein, indem sie eine der beiden streitenden Parteien, die amerikafreundlichere, massiv unterstützten, bis diese sich durchsetzte. ähnlich agierten die USA 1894 unter dem demokratischen Präsidenten Cleveland in der jungen, 1889 errichteten Republik der Vereinigten Staaten von Brasilien. Im Interesse des amerikanischen Außenhandels halfen die Vereinigten Staaten der republikanischen Regierung, sich gegenüber einem monarchistischen Umsturzversuch zu behaupten.
    Wenig später gelang es Außenminister Walter Gresham, in Nicaragua den bislang starken britischen Einfluß zugunsten des amerikanischen zurückzudrängen: eine Politik, die ebenso von strategischen wie von wirtschaftlichen Interessen der USA bestimmt war. Nicaragua besaß für die Vereinigten Staaten zu jener Zeit vor allem deshalb hohe Bedeutung, weil es seit langem Pläne für den Bau eines isthmischen Kanals zwischen Atlantik und Pazifik gab. 1887 hatte die 1893 bankrott gegangene Maritime Canal Company von der Regierung in Managua eine entsprechende Konzession erhalten. Die Entscheidung, den Kanal durch Panama zu bauen, fiel erst zu Beginn des 20. Jahrhunderts unter der Präsidentschaft Theodore Roosevelts.
    Zu einer ernsten Krise zwischen Großbritannien und den USA kam es in der zweiten Hälfte der neunziger Jahre über der Frage, wo die Grenze zwischen Venezuela und British-Guayana verlief. Die Regierung in Caracas ersuchte Washington um Vermittlung; London lehnte jedoch entsprechende amerikanische Angebote mehrfach ab. Am 20. Juli 1895 legte Außenminister Richard Olney, der Chef des State Department unter der zweiten Präsidentschaft von Grover Cleveland, in einem Memorandum an Premierminister Salisbury dar, daß die britischen Gebietsansprüche auf eine weitere Kolonialisierung hinausliefen und daher die Monroe-Doktrin verletzten. Olney ging aber über diese Doktrin noch hinaus: Er stellte fest, daß die USA auf dem amerikanischen Kontinent praktisch souverän seien und ihr Wille in allen Fragen, auf die sich ihr Eingreifen beziehe, das Gesetz bilde. Olney begründete diese Position damit, daß die Vereinigten Staaten auf Grund ihrer unbegrenzten Ressourcen und ihrer isolierten Lage zum Herrn der Lage (master of the situation), ja praktisch gegenüber allen anderen Mächten unverwundbar geworden seien.
    Die britische Regierung nahm die

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