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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Epochenjahr 1917:
Russische Revolution und Kriegseintritt der USA
    In keinem Land verflüchtigte sich die anfängliche Kriegseuphorie so rasch wie in Rußland. Die Niederlagen, die die Truppen des Zarenreiches 1914/15 im Kampf gegen die Deutschen erlitten, ließen die Unzufriedenheit mit der bestehenden politischen und gesellschaftlichen Ordnung anschwellen. Im Sommer 1915 kam es erst in der Textil-, dann auch in der Metallindustrie, im Bergbau und in den Erdölgebieten um Baku und im Ural zu größeren Streikaktionen. Im August 1915 schlossen sich alle Fraktionen der Vierten Duma mit Ausnahme der äußersten Rechten und Linken zu einem «Progressiven Block» zusammen, der eine neue, auf das Vertrauen des Volkes gestützte Regierung forderte. Zar Nikolaus II., seit der Entlassung des Oberbefehlshabers Großfürst Nikolaj Nikolajewitsch im September 1915 selbst Oberkommandierender der russischen Truppen, lehnte eine Parlamentarisierung strikt ab; die Zarin Alexandra Fedorowna, die während der langen Abwesenheit des Zaren von Petrograd entscheidenden Einfluß auf alle wichtigen Stellenbesetzungen bis hin zur Ernennung von Ministern erhielt, war ihrerseits seit Jahren von den Einflüsterungen ihres Günstlings, des sibirischen Wandermönchs Grigorij Rasputin, abhängig. Die Ermordung Rasputins durch zwei Angehörige des Hochadels und einen Abgeordneten der äußersten Rechten am 30. Dezember 1916 war ein dramatisches Zeichen dafür, daß selbst in der Oberschicht der Rückhalt des Zarenregimes dahinschwand.
    Um dieselbe Zeit wuchs die soziale Unruhe bedrohlich an. In den ersten beiden Monaten des Jahres 1917 brach die Lebensmittelversorgung in den großen Städten und Industriezentren praktisch zusammen. Im Januar waren die Preise für Verbrauchsgüter in Petrograd sechsmal, in der Provinz fünfmal so hoch wie in der Vorkriegszeit. Im gleichen Monat warnte das Polizeidepartement vor Hungerunruhen, die jederzeit ausbrechen könnten. Seit Anfang März häuften sich die Protestdemonstrationen in der Hauptstadt. Am 8. März weitete sich eine Frauendemonstration anläßlich des Internationalen Frauentages, der sich die Arbeiter der Putilow-Werke anschlossen, zur Streikbewegung und zwei Tage später zum Generalstreik aus. Vergeblich drängte der Präsident der Duma, Michail Rodsjanko, den Zaren zur Einsetzungeiner parlamentarisch verantwortlichen Regierung. Nikolaus II. blieb bei seinem Nein und ordnete stattdessen die Vertagung der Duma an. Die Provokation bewirkte eine weitere Radikalisierung. In der Nacht zum 12. März schlossen sich große Teile der Petrograder Garnison, darunter auch Offiziere, den demonstrierenden Arbeitern und Studenten an. Das war der Beginn der (nach dem alten, julianischen Kalender so genannten) Februarrevolution, die in erster Linie
eines
war: der Zusammenbruch eines immer weniger funktionstüchtigen Systems.
    Um sich gegenüber dem Druck der Straße zu behaupten, tat die Dumamehrheit daraufhin einen revolutionären Schritt: Sie setzte ein Provisorisches Komitee aus Vertretern des Progressiven Blocks, der Menschewiki und der Sozialrevolutionäre ein. Aus ihm ging am 13. März 1917 die Provisorische Regierung unter dem Fürsten Georgij Jewgenjewitsch Lwow, einem Liberalen, als Ministerpräsidenten und dem Historiker Paul Miljukow, dem Führer der Konstitutionellen Demokraten («Kadetten»), als Außenminister hervor. Tags zuvor bereits hatte sich im Taurischen Palais, dem Tagungsort der Duma, nach dem Vorbild der Revolution von 1905 ein provisorisches Exekutivkomitee des Petrograder Sowjets der Arbeiter- und Soldatenrepublik gebildet. Sein stellvertretender Vorsitzender, der Führer der sozialistischen «Trudowiki» (Werktätigen), Alexander Kerenskij, trat als Justizminister in die Provisorische Regierung ein und wurde dadurch zeitweilig zum Bindeglied zwischen den beiden neuen Machtzentren. Nikolaus II. dankte am 15. März, von der Provisorischen Regierung und zuletzt auch dem eigenen Hauptquartier zum Thronverzicht gedrängt, zugunsten seines Bruders Michail ab; dieser erklärte am folgenden Tag seinen Verzicht auf die Nachfolge. Damit endete nicht nur die dreihundertjährige Herrschaft der Dynastie der Romanows, sondern auch die über tausendjährige russische Monarchie.
    Über einige der dringlichsten Fragen verständigte sich der Petrograder Sowjet unmittelbar nach seiner Konstituierung mit dem Provisorischen Komitee der Duma. Das Übereinkommen betraf die Vorbereitung von

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