Geschichte des Westens
des «collective bargaining», der tariflichen Lohnvereinbarung, zu rechtsverbindlicher Geltung und verpflichtete die Unternehmer, der gewerkschaftlichen Organisation ihrer Belegschaften keine Hindernisse in den Weg zu legen. Vergleichbare Auflagen für die Gewerkschaften sah der Entwurf nicht vor, was von konservativen Kritikern scharf gerügt wurde. Der Senat hatte der Bill bereits am 2. Mai zugestimmt; am 27. Juni fand sie auch im Repräsentantenhaus eine große Mehrheit. Am 5. Juli setzte der Präsident seine Unterschrift unter das Gesetz.
Die Verabschiedung des Wagner Act erhöhte die Schlagkraft der Gewerkschaften, die sich um diese Zeit in einer schweren organisatorischen Krise befanden. Die American Federation of Labor (AFL), der größte gewerkschaftliche Dachverband, hatte sich seit jeher um die handwerklich ausgebildeten Facharbeiter gekümmert und die ungelernten Arbeiter in den auf Massenproduktion beruhenden Wirtschaftszweigen vernachlässigt. Eine Minderheit um den Präsidenten der Bergarbeitergewerkschaft, der United Mine Workers of America, John L. Lewis, hinter der knapp 30 Prozent aller Mitglieder der AFL standen, machte seit 1934 offen Front gegen die einseitige Betonung des überkommenen Prinzips der Berufsgewerkschaft (craft union) und stellte ihm das modernere Prinzip der berufsübergreifenden Industriegewerkschaft (industrial union) gegenüber.
Auf dem Kongreß der AFL in Atlantic City im Oktober 1935 kam es zur Zerreißprobe: Die Mehrheit erteilte dem Prinzip der Industriegewerkschaft eine klare Absage, woraufhin sich die in der Minderheit gebliebenen Verbände der Berg-, Bekleidungs- und Textilarbeiter zu einer eigenen Unterorganisation, dem Committee for Industrial Organization (CIO), zusammenschlossen. Da die Mehrheit einen solchen Dualismus nicht hinnehmen wollte, eskalierte der Konflikt. 1936 wurde die Mitgliedschaft der oppositionellen Verbände suspendiert. Versuche, diese Maßnahme mit juristischen Mitteln außer Kraft zu setzen, waren erfolglos. Im Oktober 1938 verwandelte sich daraufhin das Committee for Industrial Organization unter Beibehaltung desKürzels «CIO» in einen selbständigen Dachverband, den Congress of Industrial Organizations.
Der CIO erreichte sehr viel mehr weibliche und schwarze Arbeiter als die AFL und trat insgesamt deutlich militanter auf als der ältere Dachverband. Zu einer antikapitalistischen Kraft aber entwickelte sich der CIO, obwohl in seinen Reichen auch viele Sozialisten und Kommunisten mitarbeiteten, nicht. Die Entfaltungsmöglichkeiten, die der Wagner Act den Gewerkschaften bot, trug viel dazu bei, daß sich der CIO ähnlich «systemstabilisierend» verhielt wie die AFL. Die Gegensätze zwischen den beiden Dachverbänden schliffen sich bald ab, so daß schließlich der Weg für ihre Wiedervereinigung zur AFL-CIO im Jahr 1955 frei wurde.
Zu den «linken» Signalen, die im Frühsommer 1935 vom Präsidenten kamen, gehörte auch die Ankündigung eines Steuergesetzes vom 19. Juni. Roosevelt sprach sich in seiner Botschaft an den Kongreß für eine nationale Erbschaftssteuer, Abgaben auf besonders hohe Nettoeinkommen, eine Schenkungssteuer und eine nach der Größe der Unternehmen gestaffelte Steuer auf Kapitalgesellschaften aus. Am Motiv des Vorstoßes ließ der Präsident gegenüber seinem Berater Raymond Moley keinen Zweifel: Er wollte Huey Long und seiner «Share-Our-Wealth»-Bewegung «den Donner stehlen». William Randolph Hearst antwortete sogleich mit einer Kampagne: Er schlug seinen Redakteuren vor, den «Bastard»-Vorschlag einem «zusammengesetzten Wesen» namens «Stalin Delano Roosevelt» zuzuschreiben, statt von «New Deal» von «Raw Deal» zu sprechen und dem Präsidenten eine Politik nach der Devise «Schröpft die Erfolgreichen!» (Soak the Successful) vorzuhalten.
Im Repräsentantenhaus fand die Botschaft des Präsidenten starken Beifall bei den Demokraten; der Senat aber reagierte mit demonstrativem Schweigen. Am Ende des Gesetzgebungsverfahrens stand eine abgeschwächte Vorlage ohne Erbschaftssteuer und mit einer sehr niedrigen Progression bei der Kapitalgesellschaftssteuer. Nach dem Urteil des Historikers William E. Leuchtenburg tat der Wealth Tax Act zwar wenig, um kleinere Unternehmen steuerlich besser zu stellen als große, den Wohlstand gerechter zu verteilen und die Staatseinkünfte zu vermehren. «Aber da das Gesetz die Steuern auf Grundbesitz, Schenkungen und Kapitalvermögen erhöhte, eine von Roosevelt gar nicht
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