Geschichte des Westens
Antiliberalismus, die Militarisierung des innenpolitischen Kampfes, den Kult von Jugendlichkeit, Männlichkeit und Gewalt, die zentrale Rolle des charismatischen Führers. Beide Bewegungen hatten ihren Ursprung in der traumatischen Erfahrung der Ergebnisse des Ersten Weltkriegs. So wie die Nationalsozialisten die deutsche Niederlage auf einen «Dolchstoß» der «Novemberverbrecher» zurückführten, so lasteten die italienischen Faschisten den «verstümmelten Sieg», die Durchkreuzung ehrgeiziger Annexionspläne durch die westlichen Verbündeten, der Schwächlichkeit der Liberalen und dem Internationalismus der Linken an. Beide Parteien verstanden es, die verbreitete Angst vor einer «roten Revolution» nach dem Vorbild der russischen Bolschewiki auszunutzen. Beide zogen Gewinn aus der Spaltung der marxistischen Arbeiterbewegung im Gefolge von Weltkrieg und Oktoberrevolution.
Die Gemeinsamkeiten zwischen den Bewegungen Mussolinis und Hitlers waren so ausgeprägt, daß viele Zeitgenossen, vor allem auf der Linken, im Nationalsozialismus von Anfang an nur die deutsche Erscheinung des «Faschismus» zu erkennen vermochten. Das war er
auch
, sofern man den Begriff «Faschismus» zur Kennzeichnung eines neuen Typs von militanter Massenbewegung der extremen Rechten verwendet, wie es sie vor dem Ersten Weltkrieg noch nirgendwo in Europa gegeben hatte. Doch der Nationalsozialismus war
nicht nur
der «deutsche Faschismus». Er war in viel höherem Maß als der italienische Faschismus eine den ganzen Menschen beanspruchende politische Religion (und insofern eher seinem Antipoden, dem Bolschewismus, ähnlich). Er war in jeder Hinsicht extremer und totalitärer alsdas römische Vorbild, und er verfügte über ein mythologisches Feindbild, das Mussolini, seine Bewegung und sein Regime nicht besaßen: Der italienische Faschismus kannte nicht den tödlichen Haß auf die Juden, der im Mittelpunkt von Hitlers «Weltanschauung» stand.
Die «positive» Kehrseite des Kampfes gegen die Juden war der Kampf für das rassisch reine deutsche Großreich der Zukunft, hinter dem die früheren deutschen Reiche, das mittelalterliche wie das Bismarcksche, verblassen mußten. «Die Grenzen des Jahres 1914 bedeuten für die Zukunft der deutschen Nation gar nichts. In ihnen lag weder ein Schutz der Vergangenheit, noch läge in ihnen eine Stärke für die Zukunft», heißt es in «Mein Kampf». «Deutschland wird entweder Weltmacht oder überhaupt nicht sein. Zur Weltmacht aber braucht es jene Größe, die ihm in der heutigen Zeit die notwendige Bedeutung und seinen Bürgern das Leben gibt. Damit ziehen wir Nationalsozialisten bewußt einen Strich unter die außenpolitische Richtung unserer Vorkriegszeit. Wir setzen dort an, wo man vor sechs Jahrhunderten endete. Wir stoppen den ewigen Germanenzug nach dem Süden und Westen Europas und weisen den Blick nach dem Land im Osten. Wir schließen endlich ab die Kolonial- und Handelspolitik der Vorkriegszeit und gehen über zur Bodenpolitik der Zukunft.»
Der Osten: das hieß «Rußland und die ihm untertanen Randstaaten». Es war das Schicksal selbst, das nach Hitlers Überzeugung Deutschland diesen Fingerzeig hatte geben wollen, indem es Rußland dem Bolschewismus überantwortete. Die Machtübernahme der Bolschewiki bedeutete aus seiner Sicht die Ersetzung der bisherigen ursprünglich germanischen Führungsschicht durch die Juden, die aber das mächtige Reich auf die Dauer nicht zusammenhalten konnten. «Das Riesenreich im Osten ist reif zum Zusammenbruch. Und das Ende der Judenherrschaft in Rußland wird auch das Ende Rußlands als Staat sein. Wir sind vom Schicksal ausersehen, Zeugen einer Katastrophe zu werden, die die gewaltigste Bestätigung für die Richtigkeit der völkischen Rassentheorie sein wird.»
Die größte westliche Großmacht, die Vereinigten Staaten von Amerika, betrachtete Hitler mit einer Mischung aus Bewunderung und Besorgnis. In seinem 1928 verfaßten, zu seinen Lebzeiten aber nicht veröffentlichten «Zweiten Buch» bezeichnete er die USA als einen «neuen Machtfaktor … von Ausmaßen, der die gesamten bisherigen Kraft- und Rangordnungen der Staaten über den Haufen zu werfen droht».Er sah im «Amerikanertum» ein «junges, rassisch ausgesuchtes Volk», und nur eine «bewußte völkische Rassenpolitik» könne die europäischen Nationen davor retten, «das Gesetz des Handelns an Amerika zu verlieren, infolge des minderen Wertes der europäischen Völker gegenüber dem
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