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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Jahreswende 1934/35 hatte die League of Nations Union, die Vereinigung der Freunde des Völkerbundes, in einem «Peace Ballot» 11,5 Millionen Briten nach ihrer Haltung zur kollektiven Sicherheit befragt und dabei ermittelt, daß 10 Millionen wirtschaftliche und nur 6,8 Millionen überdies auch militärische Sanktionen gegen eine Aggression befürworteten.
    Die entschiedensten Verfechter von internationaler Abrüstung und kollektiver Sicherheit waren traditionell die Labour Party und die Gewerkschaften. Radikale Pazifisten wie der Parteivorsitzende der Jahre1932 bis 1935, George Lansbury, der auch Landesverteidigung und Völkerbund ablehnte, blieben nur eine kleine Minderheit. Lansburys Nachfolger Clement Attlee verweigerte zwar bis 1937 dem «rearmament» die Unterstützung seiner Partei, aber während des Spanischen Bürgerkrieges sprach er sich für Waffenlieferungen an die spanische Republik und ihre Unterstützung durch Freiwillige aus anderen Ländern aus. 1937 beschloß der Parteitag der Labour Party, daß die Unterhausfraktion sich bei Abstimmungen über Erhöhungen des Wehretats künftig der Stimme enthalten und nicht mehr dagegen stimmen sollte. Im Jahr darauf vollzog die Labour Party unter dem Eindruck der aggressiven Politik Hitlers und der Nachgiebigkeit der eigenen Regierung eine weitere Kurskorrektur: Im September sprach sie sich scharf gegen ein weiteres Appeasement aus (was Churchill zu dem telefonischen Kompliment an Attlee veranlaßte, die Erklärung der Arbeiterpartei ehre die britische Nation).
    Konsequent blieb die Labour Party in ihrer doppelten Frontstellung gegen rechte und linke Diktaturen. Das kommunistische Werben um eine linke Einheitsfront wurde auf allen Parteitagen zurückgewiesen. Mochten die seit 1932 unabhängige, inzwischen zur Splittergruppe geschrumpfte Independent Labour Party und die Socialist League, der von Victor Gollancz 1935 gegründete Left Book Club und «Bloomsbury», die Londoner linke Intelligenz, sich noch so sehr für einen antifaschistischen Block der vereinigten Linken einsetzen, aus der Sicht der Parteiführung war das eine Politik, die auf eine kommunistische Unterwanderung der Labour Party hinauslief und sie um jede Chance bringen mußte, wieder zur stärksten Partei aufzusteigen.
    Auf dem Parteitag von 1937 wurde die organisatorische «affiliation» der Socialist League an die Labour Party aufgehoben und die Einheitsfrontpolitik ausdrücklich verworfen. Kurz darauf löste Sir Stafford Cripps die von ihm mitgegründete Socialist League auf, setzte aber seine Propaganda für die linke Einheitsfront und gegen alle Militärvorlagen der Regierung bis zu seinem Parteiausschluß (und dem seiner engsten Gesinnungsfreunde, darunter Sir Charles Trevelyan und Aneurin Bevan) im Mai 1939 fort. Die Labour Party war entschlossen, an ihrem Bekenntnis zu einem
demokratischen
Sozialismus nicht den geringsten Zweifel aufkommen zu lassen. Deshalb fiel ihre Kampfansage an Stalin kaum minder scharf aus als die an Hitler.[ 9 ]
Mobilisierung von rechts, Volksfront von links:
Frankreich 1933–1938
    Wie in Großbritannien wurde auch in Frankreich die Machtübertragung an Hitler von den wenigsten Beobachtern als tiefe historische Zäsur empfunden. Die Sozialisten und die Kommunisten waren in sehr viel höherem Maß alarmiert als die bürgerlichen Parteien, sahen aber den Frieden Europas und die Sicherheit Frankreichs nicht unmittelbar bedroht. Auf der parlamentarischen Rechten gab man der angeblich schwächlichen Außenpolitik des «Briandismus» die Schuld am Aufstieg des Nationalsozialismus; die gemäßigte Linke in Gestalt der Sozialisten hielt bei allem Entsetzen über die Innenpolitik der neuen Machthaber in Deutschland fest an ihrem Bekenntnis zur internationalen Abrüstung und der kollektiven Sicherheit im Rahmen des Völkerbunds. Der radikalsozialistische Ministerpräsident Édouard Daladier, der am 31. Januar 1933, einen Tag nach Hitler, an die Spitze der Regierung getreten war, konnte am 13. Februar vor der Armeekommission des Senats keine Verschlechterung der internationalen Situation Frankreichs erkennen, da die Außenpolitik Hitlers sich so wenig von der Schleichers unterscheide, wie diese sich von der Außenpolitik Brünings unterschieden habe. Außenminister Joseph Paul-Boncour, ein entschiedener Kritiker pazifistischer Illusionen bei seinen ehemaligen Parteifreunden in der SFIO, sah in der konsequenten Fortführung der Genfer Abrüstungskonferenz die beste

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