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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Verantwortlichen sinnvoll, das eigene System im autoritären Sinn umzugestalten aber forderte lediglich eine kleine Minderheit am rechten Rand des politischen Spektrums.
    Außenpolitisch zog das Kabinett Chamberlain in den ersten Monaten seiner Amtszeit an einem Strang. Unverändert galt die schon unter Baldwin eingeschlagene Linie der Nichtintervention im Spanischen Bürgerkrieg. Seit dem Herbst 1937 aber ließen sich gewisse Unterschiede in den politischen Haltungen des Premierministers und des Außenministers nicht mehr verkennen. Beide wollten keine Konfrontation mit den Diktaturstaaten Deutschland, Italien und Japan; beide strebten eine friedliche Verständigung mit den drei weltpolitischen Rivalen an. Doch während Chamberlain eher zum Entgegenkommen neigte, setzte Eden auf Klarstellung dessen, was nicht verhandelbar war. Eden hielt militärische Stärke für notwendig, um Hitler und Mussolini von kriegerischer Expansion abzuhalten. Chamberlain ging davon aus, daß der «Führer» ein rassisch reines Großdeutschland anstrebe, ohne deswegen einen großen Krieg entfesseln zu wollen.
    Im November 1937 bot sich eine aus Sicht des Premierministers überaus günstige Gelegenheit zu Gesprächen zwischen einem hochrangigen Mitglied der britischen Regierung und der nationalsozialistischen Führung: Lord Halifax, der ehemalige Vizekönig von Indien, kurzzeitige Kriegsminister, jetzige Vorsitzende des Geheimen Rates, enge Berater Chamberlains und überdies auch noch «Master of the Middleton Hounds», einer Vereinigung von aktiven Freunden der Fuchsjagd, hatte eine Einladung zur Internationalen Jagdausstellung nach Berlin angenommen und traf am 17. November in der Reichshauptstadt ein, wo er mit Neurath, Göring, Goebbels, Blomberg und Schacht zusammentraf. Die wichtigste Unterredung war die mit Hitler am 19. November in Berchtesgaden. Halifax rühmte die Verdienste des «Führers» um die Niederwerfung des Kommunismus in Deutschland,nannte das Deutsche Reich ein Bollwerk des Westens gegen den Kommunismus und erklärte, daß Großbritannien keine Bedenken gegen eine friedliche Entwicklung im Hinblick auf Streitfragen wie Danzig, Österreich und die Tschechoslowakei habe, sofern daraus keine weiterreichenden Probleme entstünden. Hitler sprach von seiner Entschlossenheit, den Bolschewismus zu vernichten, und forderte die Briten auf, ihm freie Hand in Mittel- und Osteuropa zu lassen. Chamberlain sah sich durch Halifax’ Bericht in seiner Einschätzung Hitlers bestätigt und befürwortete intern kolonialpolitische Zugeständnisse an Deutschland in Afrika, nicht zuletzt auf Kosten Portugals, um zu einem Ausgleich mit dem Reich zu gelangen. Eden hingegen blieb skeptisch.
    Im Januar 1938 sorgte ein Brief des amerikanischen Präsidenten an den britischen Premierminister für Meinungsverschiedenheiten zwischen Chamberlain und Eden: Roosevelt schlug eine internationale Konferenz vor, auf der Grundregeln des Umgangs zwischen den Staaten beschlossen werden sollten. Eden hielt das für einen nützlichen Vorstoß, mit dem Hitler und Mussolini auf die Probe gestellt werden konnten. Der Premierminister hingegen vermochte dem Gedanken nichts abzugewinnen, weil er negative Reaktionen in Berlin und Rom für sicher hielt, und erteilte, ohne seinen Außenminister zu konsultieren, dem Präsidenten eine abschlägige Antwort.
    Den unmittelbaren Anlaß zum Bruch zwischen Chamberlain und Eden lieferte Hitler. Am 12. Februar 1938 empfing er den österreichischen Bundeskanzler Schuschnigg in seiner Alpenresidenz, dem Obersalzberg bei Berchtesgaden. In demonstrativer Abwesenheit hoher Generäle, darunter Keitel, verlangte der «Führer» ultimativ eine Amnestie für die in Haft befindlichen österreichischen Nationalsozialisten, Betätigungsfreiheit für die NSDAP, die Berufung des Nationalsozialisten Arthur Seyß-Inquart zum Innen- und Sicherheitsminister und erste Schritte zur Eingliederung Österreichs in das deutsche Wirtschaftssystem. Die Erfüllung seiner Forderungen erwartete Hitler bis zum 15. Februar. An diesem Tag wurde aus Wien denn auch Vollzug gemeldet.
    Drei Tage später erlebte der italienische Botschafter in London, Graf Dino Grandi, anlässlich einer Unterredung mit Chamberlain und Eden einen peinlichen Zusammenstoß zwischen beiden. Der Botschafter hatte es zuvor abgelehnt, die Haltung Italiens zur österreichischen Frage darzulegen, aber mitgeteilt, daß Mussolini bereit sei, in neue Verhandlungen mit Großbritannien

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