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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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entgegenbrachte. Zum Verhängnis wurde ihm die Verbindung zu einer geschiedenen und zum zweiten Mal verheirateten Amerikanerin namens Wallis Simpson, mit der er im Sommer 1936 eine gemeinsame Mittelmeerreise auf einer gemieteten Yacht unternahm. Während amerikanische, kanadische und kontinentaleuropäische Zeitungen darüber breit berichteten, schwieg die britische Presse. Als sich im Herbst auch am Hof die besorgten Stimmen mehrten, schaltete sich Baldwin ein. Sein Gespräch mit dem König am 14. Oktober zeitigte kein Ergebnis. Tags darauf ließ der Sekretär des Königs den Premierminister wissen, daß Mrs. Simpson sich scheiden lassen wolle. Am 16. Oktober überredete Eduard die Pressemagnaten Beaverbrook und Rothermere in seinem schottischen Sommersitz Schloß Balmoral, vorerst nichts über die Angelegenheit zu berichten.
    Während der König entschlossen war, Mrs. Simpson zu heiraten, drohte Schatzkanzler Chamberlain für diesen Fall mit seinem Rücktritt. Die anglikanische Kirche stellte sich gegen die Heiratspläne des Königs; der Generalgouverneur von Kanada, Lord Tweedsmuir, warnte vor verheerenden Folgen der Affäre in diesem besonders puritanischen Dominion und darüber hinaus für die Monarchie als Zentrum des ganzen Empire. Im Namen Australiens erklärte Ministerpräsident Joseph Lyons, falls Eduard Mrs. Simpson heirate, müsse er abdanken. Baldwin sah sich gezwungen, den Druck auf den König zu erhöhen und ihm, falls er auf seiner Meinung beharrte, die Abdankungnahezulegen. Zu den wenigen Mitgliedern der «King’s party» gehörte Churchill. Die große Mehrheit der «politischen Klasse» hielt die Heirat des Königs für unvereinbar mit der Würde des Monarchen und damit des Vereinigten Königreichs, und nach dem Eindruck der meisten Unterhausabgeordneten dachte auch die Mehrheit der Bevölkerung so. Am 10. Dezember 1936, eine Woche, nachdem Mrs. Simpson sich nach Paris begeben hatte, gab Eduard schließlich dem Drängen des Premierministers nach und verzichtete auf den Thron. Die Nachfolge trat sein jüngerer Bruder Georg VI. an.
    Baldwins Ansehen hatte durch den Hoare-Laval-Pakt schwer gelitten. Die Art und Weise, wie er die Thronkrise überwand, verhalf ihm zu neuem Prestige. Wo immer er öffentlich auftrat, wurde er mit starkem Beifall begrüßt. Doch Baldwin war im August 68 Jahre alt geworden, erschöpft und amtsmüde. Er wollte noch die Krönung am 12. Mai 1937 abwarten und dann zurücktreten. Der König folgte seinem Vorschlag und ernannte am 28. Mai Neville Chamberlain zum neuen Premierminister. Der damals 68 Jahre alte Sohn Joseph Chamberlains war Unternehmer in Birmingham und 1915/16 Bürgermeister der Stadt gewesen; seit 1922 hatte er mehrfach an der Spitze von Ministerien, erst des Post-, dann des Gesundheitsministeriums, seit 1931 des Schatzamtes, gestanden. Neuer Schatzminister wurde Innenminister Sir John Simon, neuer Innenminister Sir Samuel Hoare. Daß die politische Linie der Regierung sich unter Chamberlain wesentlich ändern würde, war nach allem, was man von Baldwins Nachfolger hörte, fürs erste nicht zu erwarten.
    1937 war ein vergleichsweise gutes Konjunkturjahr: Mit 10,8 Prozent lag die Zahl der Arbeitslosen so niedrig wie nie seit 1929, als sie sich auf 10,4 Prozent belaufen hatte. Chamberlain war als Schatzkanzler ein orthodoxer Anhänger gesunder Finanzen gewesen; unter seinem Nachfolger schlug das Schatzamt einen mittleren Weg zwischen Steuer- und Anleihefinanzierung der Staatsausgaben ein, wobei die letztere seit dem Rezessionsjahr 1938, in dem die Arbeitslosigkeit auf 13,5 Prozent stieg, immer mehr an Bedeutung gewann. Noch 1938 wehrte sich das Schatzamt aber dagegen, in einer vermehrten Aufrüstung ein Mittel zur Belebung der Konjunktur zu sehen.
    Was die Aufrüstung betraf, so hielt Chamberlain sie konsequent auf der Linie einer Verteidigungsstrategie. Flankiert wurden die erhöhten Militärausgaben durch die National Fitness Campaign von1937/38, die sich, ausgelöst durch die Erfolge deutscher Sportler bei der Olympiade von 1936, am deutschen Vorbild orientierte und, wie die Linke sogleich monierte, eine wehrpolitische Absicht verfolgte. Doch während Hitlerjugend, Bund Deutscher Mädel und Reichsarbeitsdienst mit Mitteln des Zwangs arbeiteten, sollten der National Fitness Council und der Board of Education durch Appelle an die Einsicht die körperliche Ertüchtigung der Jugend fördern. Von Deutschland Nützliches zu übernehmen erschien den

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