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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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«Candide» und, vor allem, «Gringoire», der die Kampagne gegen Innenminister Salengro entfesselte und mit einer Auflage von 600.000 Exemplaren eine breite Leserschaft erreichte. Blum war die bevorzugte Zielscheibe der Antisemiten in der Action française, die ihm unterstellten, eigentlich Karfunkelstein zu heißen, in Bessarabien geboren zu sein und Weisungen aus Moskau zu befolgen. Der Historiker Pierre Gaxotte sah am 13. Juni 1936 in der von ihm gegründeten Zeitschrift «Je suis partout» Frankreich vor die Alternative «Bolschewismus oder nationale Revolution» gestellt. Ein Jahr später trat ein noch radikalerer Antisemit, Robert Brasillach, an die Spitze der Redaktion von «Je suis partout». Zu den prominenten Autoren der Zeitschrift gehörte ein anderer fanatischer Judenfeind, der Schriftsteller Louis Ferdinand Céline, der Ende 1937 das scharf antisemitische Pamphlet «Bagatelles pour un massacre» veröffentlichte.
    Im Herbst 1936 reagierte der rechte, dem Accord Matignon gegenüber feindlich eingestellte Flügel des industriellen Spitzenverbandes mit einer Rebellion gegen die Verbandsführung. Er setzte die demonstrative Umbenennung der Confédération Générale de la Production Française in Confédération Générale du Patronat Français durch. An die Spitze des Verbandes trat der Sprecher der jüngeren Unternehmer, der Rechtsprofessor Claude Grignoux, ein Bewunderer der faschistischen Regime, der den Liberalismus für überholt hielt und ein korporativesSystem ähnlich dem italienischen befürwortete. Unter seiner Führung schlug die umbenannte CGPF seit Oktober 1936 eine scharf antikommunistische, gegen die Volksfront gerichtete Linie ein.
    Am 31. Oktober 1936 riefen die fünf französischen Kardinäle die Katholiken auf, den «praktischen Atheismus» (athéisme pratique) zu bekämpfen und die «revolutionären Viren» zu vertreiben. Aus militärischen Kreisen ging die republikfeindliche Verschwörergruppe «La Cagoule» (Die Kutte) hervor, die für die Ermordung der beiden italienischen Antifaschisten Carlo und Nello Rosselli in Bagnoles-de-l’Orne im Juli 1937 verantwortlich war. Das strategische Ziel von «Cagoule» war ein gewaltsamer Umsturz zum Zweck der Errichtung einer Militärdiktatur. Nach der Aufdeckung der Verschwörung im November 1937 ließ Innenminister Marx Dormoy die Anführer verhaften. Eine ernste Gefahr für die Republik bildeten die Bestrebungen der äußersten Rechten Ende 1936 noch nicht. Aber die Volksfront sah sich bereits wenige Monate, nachdem sie an die Macht gelangt war, einer Gegenbewegung ausgesetzt, die gute Aussichten hatte, weiter anzuwachsen.
    Bei aller ideologischen Gegnerschaft bemühte sich die Volksfrontregierung auch um korrekte diplomatische Beziehungen zum nationalsozialistischen Deutschland (was auch in der Umkehrrichtung galt). Am 28. August 1936, vier Tage nachdem in Deutschland die zweijährige Dienstzeit eingeführt worden war, empfing Blum einen Abgesandten Hitlers: den Reichswirtschaftsminister und Reichsbankpräsidenten Hjalmar Schacht. Der Ministerpräsident bekannte sich einleitend als «Marxist und Jude» und betonte dann, daß es ungeachtet des deutschen Antikommunismus und des französischen Antifaschismus zu einer «allgemeinen Regelung» zwischen beiden Ländern kommen könne. Schacht forderte die Rückgabe der deutschen Kolonien und die Annullierung des Versailler Vertrages und stellte für den Fall, daß diese Forderungen erfüllt wurden, die Rückkehr Deutschlands in den Völkerbund und neue Abrüstungsverhandlungen in Aussicht. Blum übermittelte Schachts kolonialpolitische Vorstellungen zwar nach London; irgendwelche praktische Konsequenzen aber hatte die Begegnung nicht.
    Auch im Verhältnis zum faschistischen Italien gab es keine Annäherung. Als Mussolini im Januar 1937 einen entsprechenden Vorstoß unternahm, ihn aber an die Bedingung knüpfte, daß Frankreich Spanien Franco überließ, wies Blum dies entschieden zurück. Abweisendverhielt er sich auch, als der stellvertretende Generalstabschef General Schweisguth von einem Besuch in Moskau den Vorschlag von Verteidigungskommissar Marschall Woroschilow überbrachte, eine französisch-sowjetische Militärallianz abzuschließen. Wäre der Ministerpräsident auf diese (von Schweisguth negativ kommentierte) Initiative eingegangen, hätte dies die Beziehungen zu Großbritannien schwer belastet – ein Risiko, das Blum nicht eingehen konnte.
    Auf das Verhältnis zu den meisten

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