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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Volksfront, bedeutete aber noch nicht ihr definitives Ende. Am 22. Junibeauftragte Präsident Lebrun den radikalen Politiker Camille Chautemps, der bereits zweimal, 1930 und 1933/34, das Amt des Ministerpräsidenten innegehabt hatte, mit der Regierungsbildung. Blum übernahm das Amt des stellvertretenden Ministerpräsidenten; die meisten Minister seines ersten Kabinetts blieben im Amt. Der sozialistische Wirtschaftsminister wurde durch Fernand Chapsal von den Radicaux ersetzt; der sozialistische Finanzminister Auriol wechselte ins Justizministerium. Das Finanzressort übernahm Georges Bonnet, der auf dem rechten Flügel der Radicaux stand. Dieser Gruppierung waren auch der Minister für öffentliche Arbeiten, Henri Queuille, und der Minister ohne Geschäftsbereich Albert Sarraut zuzurechnen. Die drei weiblichen Unterstaatssekretäre schieden aus. Hatten im Kabinett Blum die Sozialisten ein leichtes Übergewicht gegenüber den Radicaux gehabt, so war es im Kabinett Chautemps umgekehrt. Die neue Regierung stand deutlich rechts von der alten.
    Zu den ersten Maßnahmen des Kabinetts gehörte die endgültige Ablösung des Franc vom Gold am 1. Juli 1937, die eine abermalige Abwertung des Franc um etwa 25 Prozent nach sich zog. Mit der Zustimmung auch der Kommunisten wurden neue Steuern beschlossen und die französischen Eisenbahnen unter dem Dach der neugeschaffenen Société Nationale des Chemins de Fer (SNCF) in Staatseigentum überführt. Einen Ruck nach rechts gab es in der Außenpolitik. Außenminister Delbos drängte die tschechoslowakische Regierung zur Nachgiebigkeit gegenüber Deutschland in der Sudetenfrage; bei einem neuerlichen Besuch Schachts in Paris im November 1937 sprach sich Finanzminister Bonnet für eine enge Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Österreich und eine weitreichende Autonomie der Sudetengebiete aus. Chautemps machte keinen Hehl aus seinem Antikommunismus und kam damit einer Stimmung entgegen, die sich angesichts der Moskauer Schauprozesse in weiten Teilen der französischen Gesellschaft ausbreitete. Gleichzeitig betonte der Ministerpräsident seine Bereitschaft zur Kooperation mit Deutschland.
    Im Spätjahr 1937 wurde angesichts der weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Ruf nach einer Abkehr von der Vierzig-Stunden-Woche immer lauter. Um dieselbe Zeit kam es zu einer neuen Streikwelle. Als die Regierung im Januar die Kammer um Vollmachten für Maßnahmen zur Stabilisierung der Währung bat, kündigten die Kommunisten ihre Stimmenthaltung an. Chautemps erklärte daraufhindie parlamentarische Allianz mit dem PCF für beendet. Die SFIO sah darin eine Aufkündigung des Volksfrontbündnisses und zog ihre Minister aus dem Kabinett zurück. Am 15. Juni 1938 demissionierte Chautemps.
    Vier Tage später bildete er ein neues Kabinett, dem keine Sozialisten, sondern nur noch Radicaux und zwei Mitglieder der unabhängigen Union Socialiste Républicaine (USR) angehörten. Dennoch stimmten SFIO und PCF, um eine noch weiter rechts stehende Regierung zu verhindern, am 21. Januar für das neue Kabinett. Es blieb nur knapp zwei Monate im Amt. Als Chautemps am 10. März die Vertrauensfrage stellte, trieb die Krise um Österreich gerade ihrem Höhepunkt entgegen (Hitlers Einmarsch erfolgte am 12. März). Nachfolger Chautemps’ wurde sein Vorgänger. Nachdem Blum mit dem Versuch gescheitert war, eine Regierung der nationalen Konzentration von Thorez bis Reynaud zu bilden, formte er ein Kabinett, das in seiner politischen Zusammensetzung seiner ersten Regierung ähnelte. Blum selbst übernahm auch das Finanzministerium, Außenminister wurde der energische Paul-Boncour von der Union Socialiste Républicaine. Ein junger Politiker vom linken Flügel der Radicaux, Pierre Mendès-France, der Ministerpräsident der Jahre 1954/55, wurde Unterstaatssekretär im Schatzamt.
    In die kurze Amtszeit des zweiten Kabinetts Blum fiel eine wichtige außenpolitische Entscheidung: Unmittelbar nach dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich, am 15. März, versicherte Außenminister Paul-Boncour der Tschechoslowakei, Frankreich werde ihr im Fall eines deutschen Angriffs auf Grund seiner Verpflichtungen aus dem französisch-tschechoslowakischen Vertrag vom Januar 1924 zu Hilfe kommen. Als Blum Anfang April um Vollmachten zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Krise, einschließlich der Einführung einer Kapitalsteuer und einer Devisenkontrolle, bat, erhielt er dafür zwar eine Mehrheit in der

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