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Geschichte des Westens

Geschichte des Westens

Titel: Geschichte des Westens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinrich August Winkler
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Verbündeten Frankreichs wirkte sich der Pariser Regierungswechsel vom Juni 1936 eindeutig negativ aus. Rumänien und Jugoslawien hatten schon vorher begonnen, sich Deutschland anzunähern; die Bildung der Volksfrontregierung verstärkte die Entfremdung zwischen ihnen und Frankreich. Das autoritär regierte Polen, dessen Außenminister Oberst Beck als ausgeprägt deutschfreundlich galt, rückte seit dem Sommer 1936 auch aus ideologischen Gründen von seinem französischen Verbündeten ab. Belgien, das im Oktober 1920 eine Militärallianz mit Frankreich abgeschlossen hatte, betonte seit der widerstandslosen Zerstörung des Vertragswerks von Locarno durch Deutschland seine Unabhängigkeit. Die Abneigung gegen die Volksfront trug aber mit dazu bei, daß König Leopold III. am 14. Oktober 1936 das Militärbündnis mit Frankreich formell aufkündigte, was faktisch die Rückkehr zur Neutralität bedeutete. Hitler erklärte daraufhin am 30. Januar 1937, daß das Deutsche Reich die belgische Unabhängigkeit garantieren wolle. Ein entsprechender Vertrag wurde am 13. Oktober 1937 unterzeichnet. Die Westmächte hatten bereits ein halbes Jahr zuvor, am 24. April 1937, erklärt, sie würden das Königreich im Fall eines Angriffs militärisch unterstützen.
    Der Linksruck der französischen Politik führte keineswegs zu dem, was viele angesichts der früheren antimilitaristischen Rhetorik von Sozialisten und Kommunisten vermutet hatten: zu verminderten Anstrengungen auf dem Gebiet der Verteidigung. Blum unterstützte Daladiers Forderung nach einer Erhöhung der Militärkredite auf 14 Milliarden Franc für vier Jahre und ließ im März 1937 mit breiter Zustimmung der Deputiertenkammer eine große Verteidigungsanleihe auflegen. Am 14. Oktober 1936 empfing er Oberst Charles de Gaulle und ließ sich von ihm dessen Vorstellungen von einer professionellen Panzerarmee und einer französischen Offensivstrategie für den Fall eines deutschen Angriffs auf die Tschechoslowakei oder Polen erläutern. Der Ministerpräsident zeigte sich beeindruckt, dasMilitär um Generalstabschef Gamelin, seinen immer noch einflussreichen Vorgänger General Weygand und Marschall Pétain, keineswegs. Es blieb infolgedessen bei der defensiven Ausrichtung der französischen Rüstung – und der Überzeugung, daß Deutschland nicht imstande sein würde, die Maginotlinie zu überwinden.
    Anfang 1937 empfand Blum die wirtschaftliche Lage Frankreichs als so bedrohlich, daß er am 13. Februar eine sozialpolitische Pause ankündigte und weiteren Lohnerhöhungen eine Absage erteilte. Es folgten Maßnahmen, die die Privatwirtschaft beruhigen sollten, darunter die Rückkehr zum freien Goldhandel. Der linke Flügel der SFIO reagierte empört; Marceau Pivert sprach von einer Kapitulation vor dem Militarismus und den Banken und legte unter Protest seine Funktionen im Generalsekretariat des Ministerpräsidenten nieder. Die Erbitterung unter den Arbeitern stieg, als die Polizei am 16. März in Clichy, um einen Zusammenstoß zwischen Anhängern der Linken und des PSF von Oberst de La Rocque zu verhindern, in die Menge schoß, fünf Menschen tötete und etwa 200 verletzte. Währenddessen häuften sich wilde Streiks, die auch die Pariser Weltausstellung (Exposition des Arts et des Techniques) in Mitleidenschaft zu ziehen drohten. Als diese am 24. Mai 1937 mit mehr als dreiwöchiger Verspätung und inmitten von Bauschutt eröffnet wurde, waren zwar die monumentalen Pavillons des Deutschen Reiches und der Sowjetunion fertiggestellt, nicht aber die Frankreichs sowie die vieler anderer Nationen. Unter den auswärtigen Gästen war auch Hjalmar Schacht, der erneut mit Blum zusammentraf. Die Unterredung verlief ebenso ergebnislos wie die erste im August 1936.
    Mitte des Jahres 1937 konnte die Regierung Blum keinen Zweifel mehr daran haben, daß der Kampf gegen die Verschlechterung der Wirtschaftslage keinen Erfolg gezeitigt hatte. Am 15. Juni ersuchte der Ministerpräsident das Parlament daher um die Gewährung von Sondervollmachten, die der Regierung neue Besitzsteuern und energische Maßnahmen gegen die Kapitalflucht erlauben sollten. In der Deputiertenkammer erhielt er dafür eine Mehrheit von 346 zu 247 Stimmen, der Senat aber verwarf die Vorlage am 21. Juni mit 168 zu 96 Stimmen. Zur Mehrheit gehörten auch die meisten der radikalen Senatoren. Einen Tag später erklärte Blum seinen Rücktritt.
    Die Demission Blums warf ein Schlaglicht auf den Zerfall der

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